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Der Weg

Kolumnistin MaraB setzt sich über Barrieren hinweg: Egal ob es um Generationen oder die Sammelleidenschaft ihrer Familie geht. Lies hier die witzigen Anekdoten. Vielleicht erkennst Du Dich und die Deinen ja wieder…

mara B © Mitglied

Der Weg

In den letzten 4 Wochen hatte ich meine Nordic Walking-Stöcke stark vernachlässigt, wobei, wenn ich ehrlich zu mir selber bin, dann hatte ich einfach keine Lust auf Laufen. Radfahren ist bequemer. Bei manchen meiner Bekannten gehört mindestens eine Stunde Sport täglich zum Leben wie ein gutes Frühstück. Die können gar nicht anders. Bei mir scheint genau dieses Bedürfnis einfach nicht vorhanden zu sein.
Wie dem auch sei. Ich habe Urlaub und mir vorgenommen, jeden Tag gleich nach dem Frühstück los zu machen. Zunächst geht es mit dem Rad etwa 800 Meter in den Park. Nicht, dass ich die nicht hätte laufen können, aber die Metallspitzen meiner Stöcke machen immer dieses Klick-Klack-Geräusch auf dem asphaltiertem Gehweg, weshalb mich mein Mann immer belächelt. Man hört so genau, welche Altersklasse kommt, meint er. Und je langsamer dieses Klick-Klack umso älter.

Ich liebe es, durch unseren Park zu walken. Das Herbstlaub raschelt und der neue Splittweg aus dunkelroten Splitt-Steinen ist endlich richtig fertig, nachdem im vergangenen Jahr das Hochwasser den Park verwüstet hat. Die Bauamtverantwortliche im Rathaus hat die Farbe gut ausgewählt. Nicht immer dieses alte eintönige Grau und auch nicht die teuren Sorten, die sich nach Kaffee anhören, wie Cappuccino, Latte Macchiato oder Vanilla. Ich lächle zufrieden.

Am Ende des Parks verändert sich die Splittfarbe und - teilweise - die Steingröße. Aber weder das übliche Grau stört, noch die steinigen Stolperfallen, denn die wieder friedliche Mulde mit ihren großen und alten Weiden, Eichen und Eschen an den Ufern, die gelben Blüten der Senfsaaten auf den Feldern nehmen meinen Blick gefangen. Es wirkt, als würde gerade das Frühjahr mit der Rapsblüte beginnen und erzeigt in mir ein wunderbares Lebensgefühl.

Rundum zufrieden laufe ich zügig weiter gen dem kleinen Ort Berg mit seinen fünf herrschaftlichen Häusern. Aber als ich näher komme, traue ich meinen Augen kaum. Das Gelborange der riesigen Straßenbaumaschine leuchtet von weitem. Vor sechs Wochen habe ich dieses Planiergerät hier schon gesehen. So viel Zeitaufwand für diesen kleinen etwa 1 kilometerlangen Wiesenweg zwischen den keinen Orten Berg und Burg. Dazu noch solch eine Baubude und womöglich dahinter ein Dixi-Klo?
Ich komme näher und bin fassungslos: Aus dem kleinen Wiesenweg ist eine etwa vier bis fünf Meter breite Straße geworden. Erst 1,5 Meter Bitumen, dann drei Rasengitter und dann noch mal 1,5 Meter Bitumen, an jeder Außenseite noch etwa 40 Zentimeter sandartiger Beton, wofür ich den Fachbegriff nicht kenne. Alles nach links und rechts schön abgerundet, damit das Regenwasser auf die nun etwa 30 bis 40 Zentimeter tiefer liegenden Felder gut abfließen kann.

Da hat aber die Gemeinde zugeschlagen. Hochwasserschäden, wenn sie anerkannt wurden, sind zu 100 % förderfähig. Na wunderbar. Da haben wir doch gleich eine Piste, um Motorrad- oder Autorennen abzuhalten, die im günstigsten Falle durch meterhohe Maispflanzen der Felder links und rechts verdeckt werden. Klick, klack, klick, klack.
Die Mühe und den Zeitaufwand muss man sich mal vorstellen! Ein Mix aus Bitumendecke und Rasengitter aus Beton. Patchwork wie eine Sofadecke! Keine Hundeblumen, die durch den Splitt wachsen, keine Wegwarte, keine falsche Kamille. Aber dafür ein perfekter Straßenabschuss. An die nächste Flutwelle, die die Straße womöglich unterspült und zerbricht wie anderswo auch, hat außer mir scheinbar niemand gedacht.

Warum auch nicht? Bei 100% Förderung, da kann man sich doch diese Extravaganz leisten und mitten in die Natur eine Straße setzen, die keiner braucht. Und wenn die Mulde wieder flutet, dann gibt es eben eine neue! Ganz zu schweigen vom Verlust von etwa 2000 Quadratmeter landwirtschaftlicher Nutzfläche! Auf eine genaue Rechnung verzichte ich lieber.
Ein Fall für das Steuerzahlerschwarzbuch 2014. Wenn ich nur daran denke, dass es z.B. in BW zwei Brücken gibt, die eigens für Fledermäuse gebaut wurden und für Fußgänger nicht freigegeben sind. Nicht auszudenken, wenn die Nachttierchen da nicht drüber wollen. Kostenpunkt: 450.000 Euro.
Dann kam mir in den Sinn, dass ich es doch positiv sehen sollte. Vielleicht hatte das Bauamt einen besonderen Grund für solch ein Projekt, den eine Normalbürgerin wie ich nicht verstehen muss. Ein idealer Radweg von Burg nach Berg, auf dem man endlich zu dritt mit dem Rad nebeneinander herfahren kann! Auch ich rutsche nicht mehr aus, wenn ich mit meinen Stöcken nach ergiebigen Regenfällen dort Nordic Walking mache. Die Traktoren der Landwirte haben eine extra mit Bitumen gegossene Auffahrt auf ihre Felder und transportieren nun die Ernte auf einem festen Weg. Solide! Solide!

Irgendwann wachsen in den Rasengittern vielleicht doch noch Speckblumen und all die Pflanzen der Wegränder.
Klick, klack, klick, klack. Nur noch 100 Meter und dann kann ich endlich in einen Feldweg einbiegen.
Ich denke über Demokratie nach. Hätte ich gegen diese Straße etwas tun können? Sitzstreik wäre natürlich nicht infrage gekommen, aber nur, weil das Aufstehen sich bei meinen Gelenken etwas schwierig gestalten würde.
Demokratie ist nicht nur brav wählen gehen. Es ist ein "Sich einmischen". In welcher Stadtratssitzung wurde über die Straße gesprochen? Ich müsste jede Woche zu den öffentlichen Sitzungen gehen. Dann hätte ich ja gleich Bürgermeisterin werden können.
Eine Frage werde ich noch öffentlich stellen und wenn es eine an den Stadtrat in meiner Nachbarschaft ist, nämlich die nach den noch notwendigen Verkehrsschildern.

Wenn ein einfacher und schöner Wiesenweg durch Asphalt und Beton ersetzt wird, dann dürfen natürlich die blau- weiß - rot - schwarzen Verbots- und Gebotszeichen nicht fehlen. Mir fallen ganz schnell drei solcher Schilder ein, die passen würden. Das ist dann auch eine Kostenexplosion. Aber wahrscheinlich ist von dem Fördergeld nichts mehr da.

Autor: MaraB

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