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Die Postkästchen Clique

alte Fotos

Friedlich vereint neben oder hintereinander, welche sich zu Lebzeiten nie begegneten: Margarete, die Rheinische Großmutter, Schulter an Schulter mit Katharina, der Oma aus dem Odenwald. Doch beide hatten etwas gemeinsam, sie sahen nie den Ozean, noch Deutschlands höchsten Berg.

Tante Lenchen hockt dicht hinter ihnen, die immer blonde Frohnatur hat natürlich ausgiebig fast die ganze Welt bereist.

Großvater Leonard nicht ohne sein Pfeifchen, welches ihm ein Raucherbein bescherte, nur zwei Postkarten entfernt von Opa Nicolaus, den diese fiese Malariamücke killte, in Mazedonien kurz vorm Ende des ersten Weltkrieges.
Drei Liebesbriefe teilen sich das zweite Fach von oben, samt dem vergilbten, doch mir wohlgesonnenem Zeugnis meines Lehrherrn, welches mir ausgehändigt wurde, bevor ich in der Fremde Lorbeeren ernten wollte.

Das herzliche Lachen meiner Mutter aus besseren Zeiten entdecke ich neben der Traueranzeige meiner Freundin Lilo, der eine sogenannte Pfusch OP mit nur 25 Jahren zum Verhängnis wurde, zurück blieb ihre kleine Tochter Doris und ein untröstlicher Ehegatte.

Dicht neben Lilo befindet sich Frau Panitz, diese tüchtige Person, welche ihre karge Rente mit Näharbeiten aufstockte und unverdrossen auf ihren Mann wartete, den die Wirren des Krieges verschluckten, er galt als vermisst.

Frau Panitz nähte für mich mein erstes Kleid für die Tanzstunde und einen sogenannten Umstandsrock samt rotkariertem Muster. Meinen Vater habe ich neben Onkel Richard platziert und es tut gut, diese Streithähne endlich verstummt in Ruhe betrachten zu können.

Die Feldpostkarte aus dem ersten Weltkrieg leistet Tante Hildchen Gesellschaft, der Verlobten des Absenders dem, der sie verschickte, es leider nicht vergönnt war, dass seine Hoffnungsworte Erfüllung fanden.

Onkel Matthias, den ich als Fünfjährige sehr gern mochte, ein Vetter meiner Mutter, starb qualvoll an dem Durchbruch seines Magengeschwürs im Herz Jesu Krankenhaus, ich steckte ihn neben Tante Gretchen, der Schwester meiner Großmutter Margarete, denn diese segnete ebenfalls das Zeitliche im Herz Jesu Spital. Sie litt an offenen Beinen, sagten die Erwachsenen und meiner Fantasie waren natürlich diesbezüglich keine Grenzen gesetzt.

Klaus, mein Lieblingscousin, lugt schmunzelnd hinter dem Foto meines Sohnes Oliver hervor, beide ereilte brutal ein plötzlicher Herztod in der vollen Blüte ihres Lebens.

Die grazile Todesanzeige von Frau v. Tornow, ein Fluchtopfer aus den Ostgebieten der Nachkriegsjahre, teilt sich den Platz mit meiner Handarbeitslehrerin Fräulein Löhninger. An beide habe ich lebhafte Erinnerungen, die eine besaß in ihrem Garten die schmackhaftesten Tomaten, welche wir Kinder regelmäßig stibitzen und zauberte einmal im Monat lustige Marzipanfiguren, die sie großzügig verteilte.

Und diese Lehrerin hat es in den neun Jahren, in denen sie mich in Nadel und Faden Geschicklichkeit unterrichtete, nicht geschafft mir beizubringen auch nur eine gescheite Naht zu fabrizieren, geschweige eine Stickarbeit befriedigend zu beenden.

Fast verdeckt, lugt die Zusage einer Bewerbung meinerseits hervor, wie gerne man doch sähe, wenn ich meine Arbeitskraft dem Salon Schott widmete, hoffend auf eine positive Antwort mit freundlichsten Grüßen aus dem schönen Lindau.

Eine herrliche Zeit war das am Bodensee und später erfuhr ich dann von dem schmerzreichen Lebensende meines damaligen klasse Chefs.

Karten, Briefe, Handschriften bereits Verstorbener, Gesichter, neugierig, fragend, lächelnd, zuversichtlich, glatt und faltig Menschen welche mich prägten, begleiteten, vielleicht auch liebten, so wie ER?

Kein Bild, kein Brief, von ihm finde ich in diesem Kästchen.

Ich denke da unwillkürlich an Frau Panitz, ihr Mann galt zwar als vermisst, doch wie kann ein Mensch jemals vermisst werden, den man eigentlich nie verlor?

Autor: galen

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