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Weihnachten 1945

Diese Geschichte hat Norbert Blüm erlebt, und geschrieben. Es könnte aber auch genauso gut du und ich, in den Kriegsjahren erlebt haben.

Es war einmal- nicht im Märchen, sondern in der rauhen Wirklichkeit des Jahres 1945.
Der Krieg war zu Ende, aber der Vater immer noch nicht zu Hause, und es dauerte auch noch lange, bis er aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte.
Wir lebten evakuiert auf einem kleinen Dorf in Rheinhessen. Schaffhausen war sein Name. 180 Seelen zählte der Flecken, fünfzehn davon Kinder und sie waren alle in einer Schule untergebracht. Acht Jahrgänge in einer Klasse. Es war schön in der Zwergschule. Viele Unterrichtsstunden verbrachten wir in Wald und Wiese. Und immer hatte der Schulmeister seine Fibel dabei. Wir waren kreuzfidel..
Der Sommer war heiß, die Ernte gut, wir hatten zu essen und ein Dach über dem Kopf. Das war damals viel. Und als die Felder abgeerntet waren, wir die vergessenen Aehren aufgesammelt ( gelesen”, wie das in der Fachsprache heißt) und daraus ein Säckchen Mehl gemahlen hatten, wurde Mutter unruhig. Es zog sie mit aller Macht zurück in die Heimat: ins zerstörte Rüsselsheim. da gab es zwar weniger zu essen,die Dächer über dem Kopf waren zerbombt und zerstört und die Nachrichten von dort miserable. Alle gaben uns den guten Ratschlag zu bleiben, wo wir waren. Aber Mutter wollte zu Hause sein, wenn Vater aus dem Krieg heimkam.
Mehrfach wurde die Abreise verschoben. Es wurde gepackt und wieder ausgepackt. Doch dann, fast Hals über Kopf, an einem kalten Herbsttag, zogen wir- Mutter Courage und ihre zwei Kinder- los: zurück in die Heimat. Der Personenzug fuhr noch nicht. Unser Umzugsgut bestand aus dem Gepäck, das wir tragen konnten. Ich trug einen Korb, in dem sich vier kleine Küken befanden. Mein Bruder Hans- Peter trug nichts, denn er selber musste noch getragen werden. Das Säckchen Mehl befand sich ebenfalls im Umzugsgut. Es war unsere Kranken-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung. Denn mit einem Säckchen Mehl konnte man zu jener Zeit viel bewirken. Wie Mutter alles transportiert hat, weiß ich heute noch nicht.Die Aufregung beim Umsteigen, vom Pferdewagen auf Lastwagen und wieder zurück, zwischendurch Güterwaggons, stecken mir heute noch in den Knochen. Es mußte immer schnell gehen, und nichts durfte liegen bleiben.
In Rüsselsheim angekommen, angekarrt und ausgekippt, an einem regnerischen Tag, fanden wir Unterschlupf in Großvaters Haus. Aber es war nur Platz unter dem Dach, ein großer, kalter Speicher, dessen Decke die Dachziegel bildeten, und zwei winzig kleine Räume. Eine der beiden Kammern, bauten wir als Küche um. “ Wastel- Petter” mein Taufpate, schlug in den Kamin ein Loch, in das wir das Ofenrohr steckten. Aber der Herd fehlte noch an dem Ofenrohr. Wir fanden ihn auf dem Schuttabladeplatz. Aber viel schwerer war es, ihn unter das Dach zu transportieren. Oma, Opa, Wastel, Gretel, meine Mutter und ich, hievte das Zentnerding nach oben. Ich musste immer Stützen nachreichen, mit denen der Koloss abgeblockt wurde, damit er nicht die Treppe schneller wieder herrunterkam, als wir ihn hoch wuchten konnten.
Im November, es war schon kalt, war der Ofen endlich brennbereit. seine Qualman fälle haben wir alle überlebt. Hauptsache, wir hatten etwas zum Qualmen. Aber eben daran fehlte es im Dezember.
Norbert ging auf Kohlenklau. Im Bischofsheimer Güterbahnhof wurden langsam fahrende Kohlenzüge von ganzen Horden von Kindern um ihre Fracht erleichtert und die auf den Bahndamm herabgeregneten Kohlenstücke anschließend in einen Sack eingesammelt.. In Köln nannte man soetwas “ Fringsen”. Ich habe es einmal gebeichtet. Aber der Pfarrer interessierte sich als für andere Sünden.
Ende Dezember wurden die Kohlenzüge spärlicher. Es fehlte also an Nachschub. Ich musste mich auf neues Heizmaterial umstellen und entschied mich für den holzeinschlag. Dicke Baumstämme gingen damals noch über meine Holzfällerkapazität. Also waren kleine Fichtenbäumchen dran . Im Unterschied zu den dicken Kiefern, Buchen, Eichen hatten sie außerdem den Vorteil, am Waldesanfang zu stehen
Der Transportweg, und damit die Gefahr aufzufallen, war also auch geringer. So hatten die Fichten einen doppelten Vorzug; Erstens, der Fluchtweg vom Tatort zum heimischen Ofen war kürzer, und zweitens, der Kraftaufwand zum Fallen geringer. Jedenfalls hatte ich zwei Tage vor Weihnachten den Holzvorrat für die Festtage gesichert. Wir konnten beruhigt dem Weihnachtsfest entgegensehen.
Drei Tage vor Weihnachten jedoch erreichte mich eine Einladung zur Weihnachtsfeier der amerikanischen Armee.. Das war eine große Ueberraschung. Wie ich zu diesem Privileg kam, weiß ich heute noch nicht. Aber es war vielleicht auch ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit. Dann: Erstens war mein Vater noch in amerikanischer Gefangenschaft, sie hätten ihn ja heimlassen können, und zweitens war ich von der Schulspeisung ausgeschlossen, weil ich zu dick war, was sicherlich noch eine Hinterlassenschaft vom guten Schaffhauserner Dorffutter war. Also am heiligen Abend um drei Uhr versammelten wir uns, fünfzig oder hundert Kinder vor der Kaserne der amerikanischen Soldaten. Es gab Kakao und Plätzchen.
Ich weiß von der Weihnachtsfeier nicht mehr viel, nur am Schluss kam der Weihnachtsmann miteinem Jeep in den Saal gefahren, und der war vollgeladen mit vielen Geschenken. Ich wählte mir ein kleines Schaukelbett, zigarrenkistengroß, aus. Irgendeiner der Soldaten wollte mich auf den Irrtum aufmerksam machen, indem er geschlechtsbewusst darauf hinwies, dass dieses Weihnachtsgeschenk doch eigentlich für Mädchen reserviert sei.” Abber ich hab doch e Bridersche,”
Nach der Mittagsmette war Bescherung. An unserem kleinen Christbaum leuchteten die Kerzen. Er hatte viel mehr Lametta als Zweige. Mein Fichtenholz brannte im Ofen. Hanz- Peter schaukelte an einem Wiegenbettchen herrum, und es gab, wie bei den Amis, Kakao und Plätzchen.
Viele Weihnachten habe ich vergessen, das Weihnachtsfest des Jahres 1945 nicht

Norbert Blüm

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