Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Für Gestaltung und Inhalt dieser Regionalseiten sind ausschließlich die jeweiligen Regionalbotschafter verantwortlich. Die von den Regionalbotschaftern eingegebenen und heraufgeladenen Inhalte unterliegen grundsätzlich weder einer Kontrolle durch Feierabend, noch nimmt Feierabend hierauf Einfluss. Hiervon ausgenommen sind werbliche Einblendungen und Beiträge die von Feierabend direkt eingestellt wurden und als solche gekennzeichnet sind.
Lot

Wir besuchten das wunderschöne Gründerzeitmuseum

Es ist einfach ein "MUSS" dieses so hübsche, liebevoll gestaltete Museum zu besuchen um alle von Charlotte von Mahlsdorf unter widrigen Umständen gesammelten Möbelstücke und mehr aus der Gründerzeit zu bewundern, wobei man bei einer Führung dann auch noch erstaunliche Histörchen erfahren kann.

Heute "mussten" wir und machten uns nach Mahlsdorf auf, wo für uns eine Führung organisiert war und wir gleich nett empfangen wurden. Unser Guide war ein sehr netter älterer Herr, der uns viel über Charlotte und das Gründerzeitmuseum erzählen konnte.

Charlotte von Mahlsdorf (geboren als Lothar Berfelde) merkte bereits als Kind, dass sie als Mädchen in einem männlichen Körper geboren wurde und, da dies von ihren Eltern nicht akzeptiert und sie schlecht behandelt wurde, zog sie zu ihrem Großonkel Josef Brauner, der einen Antiquitätenhandel betrieb und ihr "Anderssein" akzeptierte. Wahrscheinlich durch ihn fing sie an, sich für alles, was mit der Wohnkultur der Gründerzeit zusammenhing, zu interessieren und so hatte sie bereits mit 12 Jahren ihre ersten 2 Zimmer mit gesammelten Möbeln und Gegenständen beisammen. Bald reichte der Platz jedoch nicht mehr aus und die Fundstücke wurden in verschiedenen Häusern untergestellt. Eine erste Bleibe für ihre Sammlung fand sie von 1946 bis 1948 im halb zerstörten Schloss Friedrichsfelde.

Später gelang es ihr, das halbverfallene Gutshaus Mahlsdorf zu besetzen und noch später zu erwerben und erst einmal in Eigenregie - ohne finanzielle Unterstützung der Stadt - zu renovieren, um dort eine Ausstellung zu eröffnen. Charlotte ist oft gegen den Strom geschwommen und blieb hartnäckig, vielleicht auch wegen der Wiederstände der Eltern gegenüber ihrer weiblichen Identität in einem männlichen Körper oder der Hindernisse hinsichtlich der Wiederherstellung des Hauses und hat - wenn auch nicht als Soldat, wie ihr Vater es für sie vorgesehen hatte - ihren Willen durchgesetzt und sowohl Rückgrat als auch Einsatz gezeigt.

Selbst als das Haus 1991 von Neonazis überfallen und mehrere Gäste eines Frühlingsfestes verletzt wurden, gab sie nicht sofort auf. Im Frühjahr 1997 übersiedelte Charlotte nach Porla Brunn in Mittelschweden und eröffnete dort ein Jahrhundertwendemuseum. Teile ihrer Sammlung verkaufte Charlotte an die Stadt Berlin. Sie blieben im Gutshaus Mahlsdorf und konnten so für die alte und neue "Gründerzeit-Metropole" erhalten werden. Das Land Berlin kaufte das Gründerzeitmuseum. Es wurde 1997 vom Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e. V. wiedereröffnet und wird seit 2008 aus Mitteln der Lottostiftung Berlin umfassend saniert. Heute beherbergt es die umfangreichste und vollständigste Sammlung von Gegenständen der Gründerzeit. Neben der Dauerausstellung finden im Gutshaus Trauungen und Kulturveranstaltungen jeder Art statt.

Und so wurden wir durch insgesamt 16 Räume jeweils mit unterschiedlicher Bestimmung geführt und wir konnten in die Gründerzeit eintauchen. Überall diese wunderschönen Möbel, dekoriert mit Bildern, Büchern oder Utensilien aus der vergangenen Zeit.

über

In fast jedem Raum stand auch ein Kachelofen. In einem Salon stand ein gusseiserner Ofen,(im Bild ganz hinten) der von einer Frau aus dem Umland geschenkt worden war und für den Charlotte mühsam eine Transportmöglichkeit organisierte. Als der Ofen zerlegt und ins Auto gepackt war, wurde Charlotte noch eine Kugel mitgegeben, die auf dem Ofen montiert werden sollte. Als Charlotte das machen wollte, stellte sie fest, dass das Gewinde nicht passte und diese "Kugel" entpuppte sich dann als eine noch scharfe Handgranate aus dem 1. Weltkrieg!!!

bomb

In allen Räumen gab es eine stattliche Sammlung zeitgenössischer Musikabspielgeräte. Hach, und wie konnten auch betrunkene und des Klavier spielens Unkundige am Klavier sitzen und Musike machen wenn es hieß:

klav

Dank des Pianolas, das das Klavier alleine spielen ließ oder eine im Klavier eingebaute Lochwalze, die sich drehte, sobald die Pedale getreten wurde, so dass der "Klavierspieler" nur noch so tun musste als ob....Wer hätte sich so was nicht gewünscht, wenn er vielleicht mal als Kind zum Klavierunterricht getrieben wurde?

pian

Aber nicht nur in dieser Verbindung wurde Musik für uns gemacht sondern auch auf Plattenspielern mit riesigen Lautsprechern und einer Lochfolie, von denen man sich kaum vorstellen konnte, dass man damit Musik machen konnte. Aber es ging und in vielen Räume wurde uns diese Möglichkeit mit teilweise bekannten Liedern vorgeführt, was uns veranlasste einfach mit zu summen :o)) Sogar eine Musikbox gab es, deren Lochfolien riesig waren.

mus

In einem Raum hingen noch 100jährige Originalgardinen, die ursprünglich braun wie die Möbel waren und von 2 Frauen des Vereins ganz vorsichtig gewaschen und auf dem Rasen gespannt zum Trocknen gelegt wurde, so dass sie heute unbeschadet und strahlend weiß vor den Fenstern hängen.

Auf einem der Tische lag dann ein Foto von Charlotte, lachend in einem knallroten Mercedes. Hintergrund war, dass sie von ihrem Onkel Aufzeichnungen und Zeichnungen des ersten Mercedes erhalten hatte und diese der Firma geschenkt hatte. Es war ein Leitspruch Charlottes, dass Gekauftes verkauft werden konnte, Geschenktes aber nur wieder weiterverschenkt. Von der Geschäftsleitung wurde gar nicht verstanden so etwas Wertvolles GESCHENKT zu bekommen und wenige Tage später standen dann zwei Autos als Geschenk vor Charlottes Tür als Dankeschön. Der rote Mercedes war der Einzige, den es in Rot gibt und sollte Charlotte beim Transport der Möbel helfen. Der Knackpunkt war nur, dass Charlotte gar keinen Führerschein hatte und sich dann dafür einen Fahrer organisieren mußte...

Tja, aber wir haben auch einen Einblick in das einfache Leben der damligen Zeit bekommen: Charlottes Zimmer oder das einer "priviligierten" Hausangestellten im Keller, die Tag und Nacht abrufbereit für die Herrschaft sein musste. Wir konnten auch einen Blick in die Arbeiterwohnküche der armen Berliner werfen sowie auch in den Waschraum und es wurde festgestellt, dass einem viele Utensilien bekannt vorkamen oder dass man sie sogar früher mal selbst besessen hatte. Wer kennt noch Waschbrett und Zinkwanne, IMI, ATA und Sunil?

imi

Zum Schluss ging es im Keller noch in die Mulackritze. Die Einrichtung mit dem Tresen und dem Rückbüfett stammt aus dem Jahr 1890 und wurde 1963 von Charlotte gerettet, nachdem der ursprüngliche Standort in der Mulackstraße abgerissen werden sollte. Bei ihr wurde es dann beliebter Treffunkt der Berliner Schwulen- und Lesbenszene, hatte sie doch an ihrem alten Standort schon viele bekannter Künstler beherbergt u.a. Henny Porten, Claire Waldoff, Heinrich Zille, Gustav Gründgens und viele mehr.

mul

Nachdem sich unser Guide überzeugt hatte, dass alle Teilnehmer bereits 18 Jahre alt waren :o)), führte er uns noch in das an den Gastraum grenzende Hurenzimmer, wo alle noch für das Gewerbe nötigen Utensilien vorhanden waren, ebenso wie die "Reiz"wäsche. Allerdings waren sowohl Bett als auch das ganze Zimmer recht klein, denn außer dem schon für eine Person ziemlich kleinen Bett war auch noch eine Sitzwanne für die Reinlichkeit sowie eine Toilette untergebracht, deren Spülung aber nicht mehr funktionierte und das Häufchen vom letzten Benutzer noch drin lag :o))))))

lack

Leider waren danach die 1 1/2 Std. Führung vorbei und wir wurden verabschiedet. Aber ich glaube, man kann sich einig sein, dass man unbedingt wieder kommen muss, um sich alles in Ruhe nochmals an zu sehen und Neues zu entdecken.

Wieder zurück in die Realität ging es dann zum Griechen am S-Bhf. Mahlsdorf, der für uns eine lange Tafel gedeckt und den Ouzo kalt gestellt hatte.
Das gute Essen von einer netten Bedienung hat unseren leeren Mägen gut getan wie auch noch die Geselligkeit miteinander.

Ich hoffe, ich konnte Euch mit diesen Besuch bei Charlotte für dieses schöne Museum begeistern und eine Freude machen.
Jetzt habt erst einmal ein schönes Wochenende und bis zum nächsten Wiedersehen liebe Grüße von Ingrid

Ganz besonderer Dank gilt Margret/Stadteule, Ursula/Hundertwasserfan und Conny8804/Siegfried für ihre tollen Fotos.

Fotos von Margret

klickt hier...

Fotos von Ursula

klickt hier...

Fotos von Conny8804

klickt hier....

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
4 Sterne (6 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


7 7 Artikel kommentieren
Regional > Berlin-Nord > Ausflüge ab 2010 > -137 Besuch im Gründerzeitmuseum am 22. 03. 2019