02. Basler Träff 2014
im Museum für Geschichte in der Barfüßerkirche in Basel
Mit Kettenhemd, Eisenhandschuh, Schild, Helm und Schwert sich einmal als Ritter fühlen. Vielen Teilnehmern der Führung durch die Sonderausstellung „Echte Burgen – Falsche Ritter „ im Historischen Museum Basel machte das soviel Freude, dass das Gelächter groß und die Fotoapparate im Dauereinsatz waren.
Den großen Medienraum mit seinen vielen Möglichkeiten hat uns Dr. Markus Clausen, der uns kenntnisreich durch die Ausstellung führte, sicher aus weiser Voraussicht nicht mehr gezeigt. Des Spielens wäre sonst wohl kein Ende mehr gewesen.
Aber der Kaffee wartete und ein Blick in die letzte, abschließende Vitrine der Ausstellung holte uns auch wieder in die wenig romantische Wirklichkeit zurück. Dort sind, als Leihgabe vom Naturhistorischen Museum Basel, präparierte Schädel ausgestellt, mit deutlich zu sehenden Verletzungen, die sich Reiter einst bei Turnieren zugezogen haben.
Aber bis zu diesem schaurigen Abschluss hatten wir Herrn Dr. Clausen bereits fast 2 Stunden gebannt zugehört. Unser Führer empfing uns im Kirchenschiff der Barfüsserkirche. Für die Dauer der Ausstellung ist es durch mehrstöckige Baugerüste, mit grauen Planen bezogen und zinnenbewehrt, in eine mittelalterliche Burg verwandelt worden. Über eine imaginäre Zugbrücke dirigierte er uns, seinen „Bienenschwarm“, durch den Raum, in dem sich fast alles um Burgen, um ihre Entwicklung von der Fluchtburg zum Adelssitz dreht.
Ausgewählte Burgen der Region werden sowohl durch neuartige, im 3-D-Druckverfahren hergestellte Modelle und als Objekte in klassischer Modellbauweise vorgestellt. An Beispielen mangelt es nicht. Ist doch das Baselbiet eine der burgenreichsten Landschaften Europas.
Die Ausstellungstexte sprechen von einem Burgen-Boom im 11. und 12. Jahrhundert. Später baute neben dem Landadel auch der Stadtadel repräsentative Burgen in die Landschaft. Das Erdbeben 1356 zerstörte viele, andere gingen in städtischen Besitz über, von denen einige zu Landvogteisitzen umfunktioniert wurden. An den Burgen war nun der Basler Stab zu sehen, als Symbol der städtischen Herrschaft über das Land.
Märchenschlösser auf romantischen Gemälden sind auf einer Ausstellungwand versammelt und eine Medienstation zeigt uns, dass auch heute noch eine Burg mit mittelalterlichen Methoden entsteht: Guédelon in Burgund.
Archäologische Funde in Vitrinen sind Zeugnisse des Alltagslebens: Gewichte, Werkzeuge, Schmuckstücke, Spiegel. Aus aufgefundenen Knochen schließen die Archäologen auf Ernährungsgewohnheiten. Und aufgeräumt wird mit dem Mythos, die vielen Burgen gehörten zu einem übergeordneten Befestigungssystem. Sie sind vielmehr Ausdruck einer Machtzersplitterung.
Ritter Georg und der Drache, aus Stein, vom Hauptportal des Basler Münsters. Der Schutzpatron aller Ritter erwartet uns im Untergeschoss. Mit ihm tauchen wir ein in die Welt der Ritter und Turniere. Unser Führer bringt sie uns lebhaft und temperamentvoll nah. Zunächst stellt er uns eine lebensgroße Ritterfigur vor. Prächtig anzusehen ist sie auf dem Streitross. Es trägt Wappenfahne, Lanze, Schwert und Schild. Der Reiter Kettenhemd, Halsschutz und Eisenhandschuh. So kennen wir Abbildungen aus mittelalterlichen Handschriften, so (oder ähnlich) beteiligten sich Ritter an den Turnieren. Dass das Wort „Turnier“, für das kriegerische Kampfspiel zwischen zwei Parteien von Berittenen auf einem freien Kampfplatz, auf das lateinische torneamentum (franz.: tourner) zurückgeht, machte unser Führer anschaulich. Er spielte uns die charakteristische Drehbewegung vor, mit der sich der Kämpfer auf seinem Pferd mit dem Schwert oder der Lanze dem Gegner zuwendet.
Die Kirche versuchte, die adeligen Kampfspiele zu unterbinden. Papst Innozenz II. untersagte auf dem Konzil von Clermont 1130 „die Abhaltung jener abscheulichen Märkte, auf denen die Ritter sich nach ihrer Gewohnheit zusammenfinden, um ihre Kräfte und ihre Kühnheit zu messen, was oft zum Tod von Männern und zu großer Gefahr für die Seelen führt“. Zur Abschreckung verweigerte die Kirche den im Turnier getöteten Rittern die Bestattung in geweihter Erde. Ob dem Verbot Erfolg beschieden war? Für Basel, die glanzvolle Turnierstadt, ist das erste Turnier 1184 urkundlich nachgewiesen. Turniere fanden vorzugsweise zur Fasnachts- und Pfingstzeit auf dem Münsterplatz statt.
Erst als die Turniere durch die Einführung fester Regeln, wie genau abgesteckter Kampfplätze und Schiedsrichtergremien, an Gefährlichkeit verloren, wurde das Turnierverbot 1316 von Papst Johannes XXII. aufgehoben.
Ist uns eigentlich bewusst, wie stark wir noch heute von der Ritterzeit geprägt sind? Wie viele Redewendungen wir benutzen, die ihre Wurzeln im Mittelalter, im Geschehen am Hof oder auf dem Turnierplatz haben? Auch das zeigte Herr Dr. Clausen uns auf.
Eine Vorstellung von höfischem Leben, von Minnesang und Dichtung vermittelt die Ausstellungswand mit Bildern aus dem Codex Manesse, der Großen Heidelberger Liederhandschrift. Da sehen wir den Minnesänger Konrad von Würzburg, der in Basel lebte und dort 1287 starb. Er sitzt auf einer Kastenbank und diktiert einem kleinen Schreiber. Dieser sitzt auf einem Lehnstuhl am Pult und beschreibt ein buchartig gefaltetes Pergament mit der Feder. Der Meister fasst sein Pult mit der linken Hand. Durch seinen Zeigegestus und die Kopfwendung zum Schreiber hin ist seine Tätigkeit als Diktat zu verstehen. [i]
[i] Codex Manesse, hrsg.v. Ingo F. Walther. – Frankfurt, Insel, 1988
Abbildungen von Fiedel, Querflöte, Trommel, Psalterium, Dudelsack, Busine (Naturtrompete) und Schalmei zeigen uns, welche Musikinstrumente am mittelalterlichen Hof gespielt wurden und die hinter den Zinnen stehenden Hofdamen schauen vielleicht gerade einem Turnier zu.
Großes Vergnügen machte uns die Betrachtung der Darstellung einer „Minnesklaven“-Darstellung. Eine Frau verspricht dem heftig um sie werbenden Mann, ihn bei Nacht in einem Korb zu sich heraufzuziehen. Sie lässt ihn dann aber auf halber Höhe hängen und setzt den Gefoppten am anderen Morgen dem Gespött der Leute aus. Das Motiv stammt aus der mittelalterlichen Sage vom Zauberer Vergil. [ii]
(Wer diesem Bild in anderem Zusammenhang begegnen möchte, dem sei ein Besuch im Freiburger Augustinermuseum beim sogenannten „Weiberlistenteppich“ in der Schatzkammer empfohlen)
[ii] Codex Manesse, hrsg.v. Ingo F. Walther. – Frankfurt, Insel, 1988 Ebd.
Mit einem Exkurs zu dem eigentlich unübersetzbaren Begriff „Minne“, über den Minnesang, die Liebeslyrik des Mittelalters und dem Vortrag zweier Gedichte in mittelhochdeutscher Sprache schloss Herr Dr. Clausen seine überaus lehrreichen und dabei vergnüglichen Ausführungen. Ein Höhepunkt der Führung! Wie schön, einmal den Klang der Sprache zu hören, die in der Zeit der Burgen und Ritter gesprochen wurde.
Und dann ging’s hinein ins Vergnügen des Ritterspiels. Woher kommt nur diese ungebrochene Faszination, die neue Lust an Mittelaltermärkten? Jede Kindergeneration spielt aufs Neue Ritter und Prinzessin. Es bleiben mehr Fragen als Antworten. Macht die Ausstellung nicht begierig darauf, sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen?
Die Fotos sind von:
Erwin - Zahnrad
Hanspeter - happy46
Käthe - shanai
Bewertungen und Kommentare
15 Bewertungen
10 Kommentar(e):
obelix2011 schrieb am 20.02.2014:
Ja, ein wunderschöner Samstagnachmittag mit vielen lehrreichen und interessanten Eindrücken, die von Barbara mit einem eindrücklichen Bericht wunderbar wiedergegeben wird. Es hat Spass gemacht einmal ein Kettenhemd zu tragen, wenn es nur nicht so durchgezogen hätte!! Die eingeölten Maschen hinterliessen Spuren an meinem Hemd. Die Waschmaschine musste zwei Mal daran glauben. Aber es war der Spass wert. Vielen Dank Käthe und Barbara für die tolle Arbeit. Liebe Grüsse Charly (Obelix)
shanai schrieb am 20.02.2014:
Von Dr. Clausen erhalten: Liebe Frau Schwarzwälder Vielen herzlichen Dank für Ihr mail samt Fotostrecke! Es hat mir sehr gefallen, mit Ihnen und der Gruppe durch die Ausstellung zu führen. Meine Freude war gross ob der lebendigen Gruppe, die die Ausstellung auch erleben wollte! Für ein weiteres Mal stehe ich gerne zur Verfügung und grüsse Sie und die Feierabendgruppe herzlich Ihr Markus Clausen Leider hat er vergessen ein paar Worte über den Bericht von Barbara zu schreiben, der es echt verdient hätte, schade!
schalom schrieb am 19.02.2014:
Liebe Barbara, danke für diesen lebhaften und interessanten Bericht. Das war genau ein Thema das mich schon immer interessiert hat. Schade, dass ich noch immer nicht laufen kann, gerne wäre ich dabei gewesen. Elfie/schalom
oleander schrieb am 19.02.2014:
Ein ausgezeichneter Bericht, liebe Barbara, hast Du fabriziert. Danke für die viele Arbeit. Auch den Fotografen und Käthe sei Dank.
Bleistift01 schrieb am 19.02.2014:
Ein sehr guter Bericht, liebe Barbara, eindrucksvoll geschrieben. Besten Dank dafür. Auch die Bilder sind sehr aussagekräftig. Schade, daß wir nicht dabei sein konnten Werner(Bleistift01) u. Helene (Tanzknopf01)
Ibobibo schrieb am 19.02.2014:
Unglaublich spannend war es für mich, die ich nicht dabei war, Barbaras äußerst informativen und humorvollen Bericht zu lesen. Die fröhliche Stimmung von Euch allen hat sich mir durch den Bericht ebenso mitgeteilt. Vielen Dank auch an die unermüdlichen Fotografen und an Käthe sowieso für die Idee, Organisation und das Einsetzen des Berichts u.a. mit vielen Wechselbildern. Liebe Grüße Ingeborg
wallianna schrieb am 19.02.2014:
Tja liebe Rosemarie da staunst Du! Ich war nämlich auf der Burg und habe Dich mit dem Feldstecher entdeckt! Ein toller Bericht,das muß ich schon sagen! Ich war mit Enkel Jonathan ein paar Tage zuvor da, weil ich am Samstag nicht kommen konnte. Liebe Grüße Walli
happy46 schrieb am 18.02.2014:
Was soll man über so einen Smstagnachmittag schreiben? Es wiedermal eine perfekte Organisation, ein lustiger Nachmittag mit netten und sympatischen Menschen, mit einem Führer der uns mit seinem Vortrag temperamentvoll in die Geschichte einführte.. Bis zum nächsten mal. Herzliche Grüsse euer Happy46
seinDrache schrieb am 18.02.2014:
Ohne Zweifel die Teilnehmer/innen hatten viel Spaß, die Fotos sprechen dafür. Auch der Bericht lässt mich an Geschehen teilnehmen .Sehr spannend ! Leider könntet Ihr mich nicht sehen ,ich hatte meine Tarnkappe auf. schmunzle, schmunzle. Liebe Grüße
shanai schrieb am 18.02.2014:
Ganz herzlichen Dank liebe Barbara für dein Angebot diesen Bericht zu übernehmen. Du hast das nicht leichte Thema brillant gelöst. Wir hatten mit Herrn Dr. Clausen eine überaus lebhafte Führung und einen sehr fröhlichen, unterhaltsamen Nachmittag im Historischen Museum. Danke auch den Fotografen, es war nicht einfach gute Fotos zu knipsen ohne Blitzlicht. Liebe Grüße Käthe
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