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05. Basler - Hock 2012

Für den 5. Hock am 18.Mai 2012 ist es unserer ReBo Käthe/shanai gelungen, wieder etwas ganz Besonderes für unsere Feierabendgruppe auszusuchen:

Die Besichtigung des Bauernhausmuseums Schneiderhof
in Kirchhausen (Steinen-Endenburg) im Markgräfler Land.

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24 Personen hatten sich angemeldet, und kein Platz war frei geblieben. So trafen wir nach und nach gegen 11.00 Uhr an dem von einem sehr schönen Bauerngarten umgebenen Schneiderhof ein und wurden von Herrn Jürgen Kammerer und seiner Frau schon erwartet.

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Herr Kammerer hat die letzte Bewohnerin des Schneiderhofes, Fräulein Berta Schneider, noch kennengelernt. Sie bewirtschaftete ca. 40 Jahre bis 1985 den Hof allein, bis sie ein Jahr später - am 01. Mai 1986 - im hohen Alter von 91 Jahren starb. Über etliche Jahre hinweg hat Herr Kammerer den Schneiderhof regelmäßig aufgesucht, weil Fräulein Schneider sehr abgeschieden lebte, kaum Kontakt zur Dorfgemeinschaft hatte, aber doch gern von den vergangenen Zeiten erzählte und das Neueste aus der Welt erfahren wollte.

Nach jedem Besuch hat Herr Kammerer sich Notizen auf kleinen Karteikarten gemacht und so einen unerschöpflichen Schatz an Geschichten, erfreulichen wie traurigen, zusammengetragen. Der Lebenslauf von Fräulein Schneider, auch Anekdoten in ihrem Dialekt, die Entwicklung des Schneiderhofes, Fotos und Kochrezepte sind in einer Broschüre enthalten, die Herr Kammerer für uns in Erinnerung an Berta Schneider mit einer handschriftlichen Widmung versieht. Ich habe jetzt beim Schreiben des Berichts die Broschüre neben mir liegen, lese immer wieder darin für Anregungen zur Ergänzung meiner Notizen.

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Bienenstock

Am 09.09.1987 erwarb der neugegründete "Verein zur Erhaltung des Schneiderhofes in Kirchhausen e.V." das historische Anwesen. Herr Kammerer ist der 1. Vorsitzende des inzwischen ca. 300 Mitglieder zählenden Vereins. Das Grundstück kostete 1987 100.000,00 DM; das arg vernachlässigte und fast verfallene Haus bekam man gratis.
In den folgenden Jahren wurde der baufällige Bauernhof mit nicht endender Hingabe und vielen Arbeitsstunden aller Beteiligten wieder in seinen ursprüngllichen Zustand versetzt. Die meisten Arbeiten erfolgten in Eigenleistung der Vereinsmitglieder, einige aber auch mit Hilfe von regionalen Fachfirmen. Heute kann der Schneiderhof den jetzigen Generationen einen Einblick in das Leben und die Arbeitsweisen der Schwarzwaldbauern vor über 100 Jahren geben.

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so sah der Schneiderhof aus!
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Fräulein Schneider wäre glücklich über solch trockenen Dachboden gewesen!
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Wir stehen vor dem Haus und bewundern die imposante Fassade mit dem mächtigen Roggen-Strohdach, folgen dann Herrn Kammerer durch die schwarze, zweistöckige Rauchküche mit 3 Hurten (das Haus hatte nie einen Schornstein) in das Herzstück des 300 Jahre alten Hauses: eine schmucke große Stube mit "Chunscht", das ist ein Kachelofen mit beheizbarer Bank. Ein zweiter großer Kachelofen wurde später eingebaut, um das angebaute Altenteil beheizen zu können. Im Herrgottswinkel steht eine Lutherbibel.

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Das Modernste in dem Haus ist und war der Herd in der Küche
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schöne Aussicht von der Stube
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praktische Gerätschaften "e Glettiese un e Schdrigel"
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e Woog, Bachförmli un Ankegläser

In der Stube nehmen wir an langen Tischen Platz. Es stehen dort schon große Teller voll von Bauernbrotschnitten mit kleingeschnittenem Schneiderhof-Speck, Apfelmost, und Wasser aus der Quelle neben dem Haus. Wir dürfen zugreifen und uns stärken, denn jetzt wird uns Herr Kammerer in spannenden zwei Stunden viel vom Leben auf dem Schneiderhof erzählen.

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l e c k e r!
im Rauch und in der Kälte gehangen - das macht den besonders guten Speck aus!
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Mit einem Kienspan wurde der Raum erhellt

Am 10. April 1895 wurde Berta Schneider als vierte Tochter von Johann Jakob Schneider und seiner Frau Anna Maria geboren. Sie wuchs zusammen mit ihren drei älteren Schwestern auf. Von klein an halfen die Kinder kräftig in der elterlichen Landwirtschaft mit. Bertas Schwestern verließen schon in jungen Jahren das Elternhaus. Berta blieb bei den Eltern, die vielfältigen Arbeiten in Haus, Hof und auf den Feldern wurden gemeinsam bewältigt. In ihrer Jugend war Berta eine stattliche Erscheinung und fühlte sich im Kreis der Nachbarstöchter und Verwandten sichtlich wohl. Herr Kammerer lässt uns ein Foto sehen, das diesen Eindruck bestätigt. Bertas Kammer befand sich damals in der hinteren Stube, die später zum Schnapsbrennraum wurde, die erforderlichen Utensilien stehen noch dort. Die Eltern schliefen im Altenteiler: das Bett der Mutter stand in der Ecke am warmen Kachelofen, das Bett des Vaters vorn am Fenster, denn ihm machte Zugluft nichts aus. Die Schneiders waren sparsame Leute. Verkaufserlöse aus Holz, Getreide, Kartoffeln, Öl, Schnaps und Vieh kamen "auf die hohe Kante" und Anfang der 20er Jahre hatten sie genügend Geld angespart, um den geplanten Hausneubau zu verwirklichen. Denn schon damals entsprach das Gebäude nicht mehr den allgemeinen Wohnverhältnissen. Die Baupläne "lagen bereits in der Schublade", da kam die Inflation! Aus der Traum vom Neubau, selbst für die Renovierung war kein Geld mehr da. Die Familie musste in dem baufälligen Gehöft weiterwirtschaften.

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Fräulein Berta Schneider
jung, schön und begehrt -
alt, klever aber verkannt!
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Sie als Schönheit in der Mitte unter Verwandten
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einzige Wasserstelle, die Sommer wie Winter sprudelt neben dem Haus

Das Geld reichte gerade noch zum Kauf eines Fahrrades. In der Broschüre ist die Rechnung des Fahrradhändlers in Schopfheim über 1.067.000,-- Mark abgebildet. Aber offensichtlich hat das Rad viele Jahre Berta Schneider treue Dienste geleistet; wir konnten es in der Scheune noch betrachten.

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Das einzige Fahrrad im Dorf zur damaligen Zeit
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...mit Lampe!

Berta Schneider blieb unverheiratet. Sie legte auch immer Wert darauf, mit "Fräulein" angesprochen zu werden.

Berta's Mutter starb 1931. Berta übernahm die Haushaltsführung allein. Als der Vater 1944 starb, war Berta mit 49 Jahren ganz auf sich gestellt. Der Alltag auf ihrem Hof lief weiter, Jahr für Jahr, die Arbeit nahm kein Ende. Jedoch war Berta Schneider mit sich und ihrer kleinen Welt zufrieden. Sie begnügte sich Zeit ihres Lebens mit den Gegebenheiten ihrer Kindheit.

"Mir längt's! 'S goht au so! I bi z'friede!"

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alles undicht - wie kalt muss es im Winter gewesen sein!

Berta Schneider war sehr tierlieb. Zu Vater's Lebzeiten war sie oft traurig, wenn das Vieh geschlachtet wurde. Sie selbst behielt die letzte Kuh im Stall, bis diese an Altersschwäche starb. Herr Kammerer zeigt uns eine Lebend-Mausefalle und eine Wühlmausfalle, und wir lassen uns erklären, was es damit auf sich hat. Das Türchen schlug zu, wenn die Hausmaus im Käfig war, unverletzt. Dann brachte Fräulein Berta sie in den Wald und ließ sie laufen. Ganz anderes wurden aber die Wühlmäuse behandelt. Eine Falle mit einem Möhrenstückchen bestückt, Maus kriecht in den Käfig und wird geköpft. Aus!

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...so sauber war es früher sicherlich nicht im Stall!
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Herr Kammerer führt uns vor wie man den "Schniidesel" bedient und Schindeln oder Kienspan herstellt.
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Schneeschuhe - unentbehrlich im Winter
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...sie wollten lieber in die freie Natur

Wir machen noch einen Rundgang durch das Haus. Nur eine schwache Birne erhellt die fensterlose, rußgeschwärzte Küche. Dort wo der Rauch abzog, wurden Schinken geräuchert. Unweit des Herdes ist ein alter Brotbackofen zu sehen.
Als 1922 der elektrische Strohm nach Kirchhausen kam, kauften die Schneiders fünf 15-Watt-Birnen. Diese mussten zur Ausleuchtung der dunklen Räume genügen. Zuvor waren die Zimmer mit Lichtspänen und Petroleumlampen notdürftig erhellt worden.

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Heute kommt man wieder unbeschadet in die Schlafkammern, dies konnte Berta seit langem nicht mehr.
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Bertas selbst gefertigte Medizin - Vorlauf - Johanniskrautöl - Arnikasalbe auf dem Nachtschrank
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Das Seelenfensterchen im Schlafgemach
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Es zieht sie ins Lokal
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Herr Kammerer hätte noch Stunden erzählen können - eine wahre Freude ihm zuzuhören!
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Wir sind im Restaurant "Zum fröhlichen Landmann" zum Essen angemeldet. Jetzt fällt mir auch wieder ein, dass Käthe uns noch eine Überraschung versprochen hat, die uns im Restaurant erwartet. Was kann das wohl sein? Es ist unser Feierabend-Mitglied greycats/Adi mit seinen Musikerfreunden Rolf und Werner. Sie bringen uns mit fetziger, jazziger Musik vom Schwarzwaldhof vor hundert Jahren in die jetzige Zeit zurück. Adi singt mit viel Temperament New Orleans-Songs und Werner trägt "Leberle mit Rös(ch)ti" vor, das viel Zustimmung erhält. Der Weg nach Hause ist noch weit, darum verabschieden sich schon einige Mitglieder, aber wie ich heute hörte, war das viel zu früh, denn es wurde noch eifrig das Tanzbein geschwungen!

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Autor: Tinsky

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...damit alle nach Hause finden!

Bewertungen und Kommentare

28 Bewertungen
8 Kommentar(e):

VierJahreszeiten schrieb am 01.09.2012:
Sehr schöne Bilder und sehr ausführlich dokumentiert.

Anmargi schrieb am 28.05.2012:
Besuche dieser Bauernhöfe lassen das einfache und schwierige Leben der Menschen in früheren Zeiten nicht vergessen, auch das Organisieren dieser Besuche nicht und das Schreiben solcher wertvollen Berichte - vielen Dank und Grüße, Margit

Christkindle schrieb am 27.05.2012:
Liebe Helga, Dein Bericht ist, wie immer,großartig. Die Fotos ergänzend schön. Dieser Tag wird mir unvergessen bleiben, denn er war für mich etwas ganz Besonderes, Dank Deiner Organisation und Überraschung. Herzlichen Dank auch fürs Einsetzen des Berichts. Ich werde noch lange daran zehren, mit Hochgenuß. Liebe Grüße Christel

Bleistift01 schrieb am 24.05.2012:
Herzlichen Dank, Helga, für den eindrucksvollen Bericht, den Fotografen für die schönen Fotos und nicht zuletzt Dir, Käthe, für die vorzügliche Organisation und die "Überraschung". Es war wieder ein schöner Tag mit den "Feierabendlern".

oleander schrieb am 24.05.2012:
Wie immer hast du liebe Helga ein wunderbares Resume über unseren Erlebnisnachmittag abgegeben. Du kannst es einfach. Die herrlichen Fotos tragen das ihrige dazu bei. Danke Käthe für die Idee und die Organisation und das Einsetzen des Berichtes. LG anke

shanai schrieb am 23.05.2012:
Liebe Helga, einen wunderbaren Bericht hast du geschrieben, danke! Für mich war es ein besonders schöner Tag, weil sich so viele von uns beschwingt und glücklich auf den Heimweg machten. Was kann es Schöneres geben? Liebe Grüße eure Käthe!

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