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Autor: Niagara

SiebenRüben



In den Wäldern am Dreiländereck trieb sich vor einigen Jahrhunderten SiebenRüben, ein sie-benköpfiger Drache herum.
Weil er so viel Feuer aus seinen sieben Mäulern gespien hatte, waren seine sieben Kehlen rau; siebenfache Halsschmerzen quälten ihn und er fühlte sich dementsprechend elend.
Eines Tages kam SiebenRüben nach Aachen, ließ sich in Seffent an den Sieben Quellen nieder und beschloss zu bleiben.
„Hier gefällt es mir“, sagte er. „Ich finde genügend Wasser, um meine kranken Rachen zu kühlen.“ Jeder der sieben Köpfe suchte sich sein Lieblingsgewässer aus. Allmorgendlich machte der Drache seine Runde. Der erste Kopf trank aus der ersten Quelle.
„Hm, das tut gut. So wunderbar erfrischt fühlte ich mich selten.“
Der zweite Kopf schlürfte an der zweiten Quelle: „Noch nie habe ich süßeres Wasser ge-trunken – köstlich.“
Der dritte Kopf tauchte sein Maul in die dritte Quelle. „Ich finde dieses besser“, sagte er und schluckte. „Es duftet so würzig nach Moos, Gras und Bäumen.“
„Ich liebe den Geschmack nach sauberer Erde“, sprach der vierte Kopf, während er sich an der vierten Quelle labte.
„Aber hier sprudelt das klarste Nass“, behauptete der fünfte Kopf und trank in langen Zü-gen aus der fünften Quelle.
„Hm, dieser Duft nach wilden Kräutern, Rosmarin, Arnica, Eisenhut und Hahnenfuß – ich weiß nicht recht wonach, jedenfalls ist er, hm, köstlich.“ Der sechste Kopf schlürfte genieße-risch an der sechsten Quelle.
Der siebte Kopf wackelte hin und her. „Ihr seid keine Feinschmecker. Richtiges Wasser darf weder nach Moos, noch nach Kräutern Bäumen oder Erde schmecken, sondern ganz ein-fach nur nach Wasser, wie dieses aus der siebten Quelle.“
Dann hatte jeder Kopf genug getrunken, SiebenRüben war zufrieden, er legte sich am Fuß der Schneeberge in eine Mulde, grunzte und döste vor sich hin.

In Aachen war die Neuigkeit von dem Ungeheuer bekannt geworden. Alle Mütter hielten ihre Töchter im Haus, denn man hatte schon oft von bösen Drachen gehört, die junge Mäd-chen raubten und fortschleppten.
Doch leider war eines der Mädchen vom Königshügel mehr neugierig als furchtsam. Es schlich eines Morgens in aller Frühe heimlich davon, um das Untier mit eigenen Augen zu sehen. Hinter einem Weidengestrüpp versteckt beobachtete es den Drachen mit den sieben Köpfen. Plötzlich schnupperten dessen sieben Nasen.
„Was sehen unsere vierzehn Augen?“, fragte einer der Köpfe erstaunt.
„Ein Menschenmädchen, sagte der zweite Kopf, „jung und schön, wirklich ein erfreulicher Anblick.“
„Sollen wir sie bei uns behalten?“, schlug der dritte vor. „Sie müsste in Eimern das Wasser von den Quellen herbeiholen; wir könnten immerzu in der Mulde liegen blieben und dösen.“
„Fabelhafter Einfall“, stimmte der vierte Kopf zu und die übrigen nickten.
Doch nun wurde das Mädchen ängstlich. „Bitte, lasst mich nach Hause“, rief es. „Dort in der Stadt, aus der ich komme, gibt es unzählige Mädchen, die viel schöner sind als ich und erheblich kräftiger. Seht nur meine dünnen Arme an. Ich würde die Hälfte des Wassers ver-schütten und ihr bekämt nie genug zu trinken.“
„Noch schönere Mädchen? Die wollen unsere vierzehn Augen sehen. Lauf in die Stadt und befiehl ihnen, zu den Quellen zu kommen. Heute in einer Woche wollen wir sie alle hier se-hen. Fehlt auch nur eine, werden wir Schwefelrauch über die Stadt speien und alle Einwohner müssen daran ersticken.“
Das Mädchen eilte zum Rathaus. Totenbleich und zitternd meldete es dem Bürgermeister, was vorgefallen war. Dieser ließ alle Einwohner herbeirufen. Die jungen Mädchen jammerten und weinten, als sie hörten, was der Drache forderte. „Ich werde mir das Gesicht mit Asche beschmieren“, rief eines, „damit er mich nicht will.“ „Ich werde meine ältesten Kleider anzie-hen“, verkündete ein anderes. „Die Haare werde ich mir abschneiden und mir Pockennarben ins Gesicht malen.“
Der Bürgermeister unterbrach sie. „Ich habe einen anderen Vorschlag: Macht euch alle so schön wie möglich. Ich glaube, das ist viel besser.“
Die jungen Aachenerinnen waren verwirrt über diesen Rat. Aber da sie, wie alle Mädchen, eitel waren, befolgten sie ihn nur zu gern. Am nächsten Morgen kämmten und bürsteten sie ihre Haare, schmückten sich mit Blumen und Bändern. In einer langen Reihe, mit ihren besten Kleidern an, zogen sie zu dem seltsamen Schönheitswettbewerb. Lippenstift und Puderdose waren damals noch nicht modern, sonst hätten sie auch diese benutzt.
SiebenRüben erwartete die Mädchen an den Sieben Quellen.
„Ei, sie sind wirklich sehr hübsch“, sagte der erste Kopf.
„Eine schöner als die andere“, freute sich der zweite. „Zum Glück haben wir nicht gleich die Erstbeste genommen.“
„Ich glaube, wir wählen dort die mit den langen schwarzen Haaren“, meinte der erste Kopf.
„Nein, die Blonde gefällt mir besser“, protestierte der zweite.
„Aber dort die kleine Mollige scheint kräftiger zu sein“, sagte der dritte.
„Schaut euch nur die Blauäugige an, die so lustig aussieht. Sie könnte uns aufheitern, wenn wir schlechte Laune haben“, schlug der vierte vor.
„Aber ich finde dort die Braunäugige schöner. Sie schaut so verträumt drein, gewiss kann sie uns Geschichten erzählen und abends ein Schlaflied singen, das mag ich mehr als heitere Späße“, meinte der fünfte.
„Seid ihr verrückt geworden? Geschichten, Lieder, Späße! Ich will meine Ruhe haben. Nehmt das Mädchen, das da so still abseits steht, es wird uns nicht den lieben langen Tag mit seinem Gerede lästig fallen“, sagte der sechste Kopf.
„Warum nehmen wir nicht gleich sieben Mädchen? Jeder sucht sich diejenige aus, die er am schönsten findet“, schlug der siebte vor.
„Kommt nicht in Frage! Sieben Mädchen, das gibt nur Zank und Streit. Ich bestehe auf dem mit den langen schwarzen Haaren.“
„Und ich will die Blonde.“ – „Nein, die Mollige.“ – „Das Mädchen mit den blauen Au-gen.“ – Nein, das mit den braunen.“ – „Nein“ „Nein“ „Nein“. Alle sieben Köpfe schrien auf-einander ein, sie bissen sich gegenseitig, spien Feuer und Schwefel.
„Geht nach Hause“, rief schließlich der siebte Kopf den verschreckten Mädchen zu. Und diese rannten, so schnell sie konnten, davon.
Bei Sonnenuntergang stritten die Köpfe noch immer miteinander. Bis in Aachen auf dem Marktplatz konnte man ihr Fauchen und ihr Gezeter hören. Dann fielen dem Drachen nach-einander die vierzehn Augen zu.
„Wir waren dumm, uns so zu zanken“, sagte der erste Kopf am nächsten Morgen beim Aufwachen.
„Ja, mir tut es Leid“, antwortete der zweite.
„Mir auch“, schluchzte der dritte.
„Wollen wir uns wieder vertragen?“, schlug der vierte Kopf vor.
„Ja, gerne“, nickte der fünfte eifrig.
„Nie wieder werden wir ein Menschenmädchen ansehen“, sagte der sechste Kopf.
Nur der siebte schwieg still. Er weinte vor Rührung und die Tränen fielen in die Quellen, deren Wasser danach noch tagelang nach Salz schmeckte.





Mit dieser Geschichte habe ich vor einigen Jahren in einem Literatur-Wettbewerb den 2. Preis gewonnen. Es handelt sich zwar um eine märchenhafte Erzählung, aber manchmal lesen auch Erwachsene noch gerne Märchen - oder lesen sie ihren Kindern vor

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