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Autor: Niagara

Edda Blesgen

Der Schokoladen-Eier-Osterhase

Es ist noch gar nicht so lange her, da lebte irgendwo im Wald ein Hase. Er sah aus, wie alle diese Tiere nun einmal aussehen: Braunes Fell, Stummelschwänzchen, lange Ohren. Wegen seiner langen Ohren hieß er auch so, wie die meisten seiner Artgenossen, nämlich Löffel. Aber ihm gefiel das alles gar nicht, denn er wäre gerne etwas Besonderes gewesen. Schon als kleiner Hoppelmann wollte er Osterhase werden und je größer er wurde, umso mehr wuchs auch dieser Wunsch.

Eines Tages wanderte Löffel tiefer in den Wald hinein, dorthin, wo das Farnkraut und das Gestrüpp immer dichter, die Bäume immer höher, die Wege immer schmaler und es ringsum immer dunkler wurde. Da, wo das Gestrüpp am dichtesten, die Bäume am höchsten, wo die Wege am schmalsten und es ganz dunkel war, stieß er auf eine kleine Lichtung. Dort saß er, ein Osterhase mit seiner Familie. Riesige Körbe, bis zum Rand gefüllt mit Eiern und ebenso große Töpfe mit Farbe, standen vor ihnen. Sie tauchten die Pinsel ein, malten emsig und bemerkten den Fremden zunächst nicht. Erst als der Hasenvater einmal eine kleine Verschnaufpause einlegte, sah er ihn am Rande der Lichtung.
„Nanu, was willst du denn hier?“

„Ich heiße Löffel“, stellte dieser sich höflich vor, „und ich möchte Osterhase werden.“
„Osterhase, so, Osterhase möchtest du werden? Meinst du etwa, jeder x-beliebige Hase könne auch ein Osterhase sein? Dieser Beruf vererbt sich vom Vater auf den Sohn und von diesem wieder auf dessen Sohn. Kein Fremder, der nicht in eine solche Familie hineingeboren wird, kann jemals Osterhase werden. Sieh dir zum Beispiel deinen Gang an. Du hoppelst auf allen Vieren. Dir würden die Eier aus dem Korb fallen, den ein Osterhase auf dem Rücken trägt. Wir gehen von Jugend an nur auf unseren beiden Hinterbeinen, wie ein Mensch.“

„Aber...“ stotterte Löffel verlegen. Doch niemand hörte ihm mehr zu. Die Hasen, die eine Weile ihre Arbeit unterbrochen hatten, nahmen jeder wieder den Pinsel in die eine, ein Ei in die andere Pfote und malten eifrig weiter.
„Bald ist Ostern, wir haben viel Arbeit und keine Zeit, uns mit nutzlosem Geschwätz aufzuhalten.“

Betrübt ließ Löffel seine langen Ohren hängen und schlich davon – probeweise nur auf seinen Hinterbeinen. Das schaffte er jedoch nur wenige Schritte, dann wurde er müde und musste sich wieder auf allen Vieren vorwärts bewegen.

Einige Tage saß er traurig in seiner Höhle und grübelte. Schließlich hatte er einen Einfall, der ihm schlagartig seine gute Laune zurückgab. Am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg in den nächsten Ort. Es war noch sehr früh, nur der Zeitungsbote begegnete ihm in den menschenleeren Straßen und der Bäcker, der zufällig einen Blick durchs Backstubenfenster hinauswarf, sah ihn. Meister Praliné, der Maler und Anstreicher, wunderte sich, als es morgens um sechs Uhr an seiner Haustür klingelte und beim Öffnen ein Hase davor stand.

„Nanu, was willst du denn?“
„Ich möchte als Lehrjunge anfangen.“
„Als Lehrjunge? Lächerlich. Hat man so etwas schon einmal gehört? Ein Hase will Maler und Anstreicher werden!“ Damit griff er in die Tasche seines Morgenrockes, holte zwei Pralinen hervor und schob sie in den Mund. Er hatte nämlich in allen Taschen Pralinen, in der Morgenrocktasche, in der Tasche seines weißen Malerkittels, in der Manteltasche, und immerzu, während der Arbeit, auf der Straße, ganz gleich wo er war, sah man ihn Pralinen essen. Darum nannten ihn die Leute Meister Praliné, obwohl er in Wirklichkeit Schmitz hieß.

„Ich möchte aber zu gerne bei dir lernen“, sagte Löffel. „Sobald ich richtig schön malen kann, gehe ich in den Wald, um Osterhase zu werden.“
„Und wenn ich dich nun schlachte und aufesse, anstatt dich mein Handwerk zu lehren?“, fragte Meister Praliné.
Einen Augenblick lang war Löffel furchtbar erschrocken, doch dann lachte er. „Es geht auf Ostern zu, also haben wir Hasen Schonzeit, das heißt, kein Mensch darf uns jetzt töten, sonst macht er sich strafbar!“

Da schmunzelte Meister Praliné. „Du bist nicht nur ehrgeizig, sondern auch klug. Das gefällt mir; ich will es einmal mit dir versuchen. Doch eines merke dir, Lohn kann ich dir keinen zahlen. Du bekommst dein Futter, ab und zu eine Mohrrübe als Leckerbissen und das muss dir genügen.“
Löffel war glücklich über diesen Vorschlag.

Von da an sah man Meister Praliné nur noch zusammen mit dem Hasen. Hatten die Leute bisher über seine Vorliebe für Pralinen gelächelt, so machten sie sich jetzt über den seltsamen Begleiter lustig. Doch wenn es etwas zum Malen oder Anstreichen gab, holten sie die beiden in ihr Haus, denn nicht nur Meister Praliné arbeitete gut, schnell und sauber, auch der Hase erwies sich als fleißiger und geschickter Helfer. Sein Lehrherr war zufrieden und zahlte ihm nun jede Woche einen kleinen Lohn, manchmal durfte Löffel sogar ein oder zwei Pralinen naschen.

So vergingen der Sommer, der Herbst, der Winter. Eines Morgens, während sie bei der Arbeit in der Werkstatt saßen, hörten sie es draußen leise tropfen. Löffel legte den Pinsel beiseite, trat ans Fenster – und was sah er: Der Schnee taute vom Dach, die Eiszapfen wurden kürzer. Dort im Garten kam das erste Schneeglöckchen hervor. Da eilte der Hase zu der Kiste, die Meister Praliné ihm als Schlafzimmer hergerichtet hatte und holte unter dem Stroh einen Beutel Münzen hervor – sein Lohn für die vergangenen Monate.
„Was hast du nun schon wieder vor?“ fragte der Malermeister verwundert.
„Ich möchte für das ganze Geld hier Likörpralinen haben. Außerdem kündige ich“, sagte Löffel.
„So viele Süßigkeiten habe selbst ich nicht im Haus, da musst du schon zum Konditor laufen.“

Also verabschiedete der Hase sich und rannte zum Café Sahnetörtchen, wo sich einige Hausfrauen bei Mokka und Kuchen von den Strapazen des Frühjahrshausputzes erholten. Mehrere Rentner, denen es für die Bank unter der Linde noch zu kalt war, stritten, Expresso schlürfend, über Politik. Löffel kaufte eine ganze Tüte voll Pralinen mit Likörfüllung.
Er nahm den leckeren Vorrat in die rechte Vorderpfote und wanderte in den Wald. Die Füchse, Rehe, Vögel staunten, als sie ihn kommen sahen, denn er hatte von Meister Praliné nicht nur das Malen gelernt, sondern ihm auch den aufrechten Gang abgesehen.

Während Löffel über sandige Wege zwischen Fichtenbäumen marschierte, saß die Osterhasenfamilie auf der kleinen Lichtung und färbte wieder einmal Eier: Der Vater pinselte sie grün, gelb, rot, blau an, die Mutter zeichnete mit zierlicher Schrift Frohe Festtage. Auch die beiden Hasenkinder waren emsig bei der Arbeit: Kringel malte lauter bunte Kringel. Tüpfelchen, das Jüngste, setzte kleine Tupfer in allen Farben auf die Schalen.

Vater Osterhase legte seinen Pinsel beiseite: „Wir müssen noch einmal fort“, sagte er, „Eier bei den Hühnern holen. Ihr zwei, Tüpfelchen, Kringel, arbeitet fleißig weiter, sonst werden wir nicht rechtzeitig fertig.“ Der Vater und die Mutter hüpften davon, mit leeren Kiepen auf den Rücken. Die Kinder blieben allein zurück. Gehorsam malten sie Tupfer und Kringel in blau, rot, gelb, grün.

Gegen Mittag kam ein Hase auf die Waldlichtung. Er ging aufrecht wie sie. Vielleicht ein Vetter aus der Osterhasenfamilie, die am anderen Ende des Waldes wohnte? Eine Weile sah er ihnen schweigend zu, dann sagte er: „Es ist Essenszeit; habt ihr keinen Hunger?“ Ehe die beiden etwas erwidern konnten, stellte er die Tüte, die er in der Pfote hielt, auf den Tisch. Tüpfelchen und Kringel betrachteten die braunen Dinger darin.

„Kostet mal, sie schmecken gut“, sagte der Fremde. Kringel und Tüpfelchen versuchten je eins, dann gleich noch eins. Sie waren hungrig und hatten keine Lust auf Eier, darum folgte ein drittes – ein viertes, fünftes, weil ihnen noch immer der Magen knurrte – das sechste, siebte, achte, da der fremde Hase sie dazu ermunterte. Sie konnten nicht mehr aufhören. Es waren köstlich-süße Leckerbissen. Viele braune Dinger verschwanden nacheinander in ihren Schnäuzchen. Löffel, denn er war es, stand schmunzelnd dabei. Kringel und Tüpfelchen schmunzelten ebenfalls. Als die große Tüte halb leer war, lachten die beiden, sie wussten selbst nicht warum. Nachdem sie alle Likörpralinen aufgegessen hatten, wurden sie übermütig.

„Wozu sollen wir immer nur Ostereier anmalen“, sagte Kringel. „Ich finde mein braunes Fell langweilig.“ Kichernd sprang er in den Topf mit der roten Farbe. Tüpfelchen folgte begeistert seinen Beispiel und hüpfte in die gelbe Brühe. Als sie wieder rauskletterten und sich gegenseitig ansahen, platzten die beiden fast vor Lachen. Sie fassten sich bei den Pfoten, liefen zum Bach und betrachteten kichernd im Wasser ihr Spiegelbild.

„Komm, ich werde dich noch mit blauen Tupfern bemalen“, sagte das gelbe Tüpfelchen zum roten Kringel. Aber dazu kam es nicht mehr, denn als die Häschen leicht schwankend über die Wiese zu ihren Farbtöpfen zurücktorkelten, wurden sie mit einem Mal schrecklich müde.
„Zuerst wollen wir ein wenig ausruhen“, sagte Kringel. Wo sie gerade standen, ließen die beiden sich ins Gras fallen und schliefen augenblicklich ein. Dort fanden die Haseneltern ihre Kinder. Der Vater rüttelte die Schlafmützen, doch diese schlummerten tief und fest von all den Likörpralinen; sie wurden einfach nicht wach.

„Was machen wir nun?“ jammerte die Osterhasenmutter. „Zwei Körbe mit Eiern brachten wir mit, die müssen noch alle gefärbt werden. Niemals schaffen wir das rechtzeitig.“
„Ich werde euch helfen“, sagte Löffel und kam hinter dem Gebüsch hervor, wo er sich versteckt hatte. Ehe die beiden etwas erwidern konnten, nahm er einen Pinsel und begann mit der Arbeit. Sie ließen ihn gewähren, warfen ihm nur ab und zu einen bewundernden Blick zu. Der Fremde war wirklich sehr geschickt.
„Das habe ich von meinem Lehrherrn, dem Meister Praliné, gelernt“, sagte Löffel stolz.
„Male nur nicht zu viele Schnörkel und Blumen auf die Eier, das hält zu lange auf“, mahnte der Osterhase.

Die drei arbeiteten ununterbrochen, bis es dunkel wurde. Dann gingen Herr und Frau Hase in ihre Höhle. Kringel und Tüpfelchen, die noch immer schliefen, mussten sie tragen. Löffel durfte bei der Familie übernachten.
Am nächsten Morgen schüttelte die Mutter ihre Kinder wach, packte sie bei den langen Ohren und zog sie zum Bach. Die beiden wurden in dem kalten Wasser tüchtig eingeseift und abgeschrubbt. Das gefiel ihnen gar nicht. Als der Vater eine Strafpredigt hielt, offenbarten sie kleinlaut, der Fremde habe ihnen die Likörpralinen angeboten.

„Geh zurück, dorthin, wo du herkamst! Niemals wieder sollst du Eier färben“, schimpfte der Hasenvater mit Löffel. Betrübt schlich dieser davon. Doch da rief der Erzürnte ihm nach:
„Diesmal gehst du zum Konditormeister in die Lehre und nächstes Jahr im März kommst du wieder. Wenn du bis dahin gelernt hast, Eier aus Schokolade mit Marzipan-, Creme- und auch Likörfüllung anzufertigen, stelle ich dich als Schokoladen-Eier-Osterhase ein.“

So geschah es. Elf Monate lang lernte Löffel beim Konditormeister. Im darauffolgenden Frühling kam er pünktlich zurück zu der kleinen Waldlichtung. Seitdem rührt er dort jedes Jahr sechs Wochen lang Schokolade, formt Eier aus der Masse, füllt sie mit leckerem Marzipan oder feiner Himbeercreme für die Kinder und mit Likör für die Erwachsenen – und die übrige Zeit genießt er seine Ferien.



14.03.2009

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