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Meine erste Beichte

Mein nach außen hin religiöses, nach innen hin eher weniger gläubiges Elternhaus war sehr darauf bedacht, vor den Leuten den Schein zu wahren und so marschierten wir jeden Sonntag gen Kirche, egal, ob wir uns lieber mal ausgeschlafen hätten.

Mit ungefähr elf Jahren ereilte es mich dann. Ich wurde auf die erste heilige Kommunion vorbereitet. Damals lauschte ich noch voller Ehrfurcht den Ausführungen des Kaplans, wozu dessen schwarzes, elegantes Outfit nicht unwesentlich beitrug. Ja, dieses wehende bodenlange Gewand gewann mir gehörigen Respekt ab. ´Vater unser` beherrschten wir Kinder ja bereits. Aber nun wurde von uns abverlangt, in uns zu gehen und nach dunklen Stellen auf unserer Seele zu forschen. Allein diese Aufforderung ließ uns innerlich schrumpfen. Bange schielte ich zu den Anderen: „Wie gucken die jetzt? Geht denen jetzt auch die Buxe mit Grundeis?` Nicht, dass ich etwa angenommen hätte, auch nur einem Einzigen wäre dies dann zu Recht so ergangen. Nein, wir waren doch die reinen Unschuldslämmer, aber, wenn der Priester dort vorn dagegen der Auffassung war, unsere so unschuldigen Kinderseelen besäßen womöglich schwarze Flecken, dann musste vielleicht doch etwas dran sein. Denn der war ja schließlich erwachsen und auch sehr klug.

Je länger ich darüber nachdachte, dass mein Inneres vielleicht nicht reinweiß sein könnte, umso heftiger hämmerte mein Herz. Ich empfand Gewissensbisse, wusste noch nicht einmal, weswegen und so gesellten sich dann noch welche dazu, weil ich eben keine Ahnung hatte, wieso eigentlich. Ich forschte und forschte, aber kam zu dem Schluss, wenn überhaupt, dann waren es höchstens Mikro-Flecken, die meine Seele verunzierten. Aber es beruhigte mich keinesfalls und je näher der Tag der ersten Beichte rückte, desto schlafloser wälzte ich mich nachts im Bett. Weil der liebe Gott (beziehungsweise eher sein Vertreter auf Erden und in meinem Falle der sonst so nette Kaplan) hartnäckig darauf bestand, gab es kein Entrinnen. Frustriert beriet ich mich erstmal mit Freundinnen, was zu tun wäre, damit wir dann blütenweißer Weste wieder aus dem Beichtstuhl entsteigen dürften. Zu meiner Erleichterung waren genauso ratlos wie ich. Doch nach einigen wichtigen Konferenzen entschlossen wir uns zur Gemeinschaftsarbeit in Sachen ´Sündenregister zusammenstellen`.

Es wurde tatsächlich weniger dramatisch als wir angenommen hatten. Eine trug der Anderen Leid. Wir machten uns gegenseitig Mut, dass bis dato noch jedes Kind jene Beichte überlebt hatte. Viel half uns diese Erkenntnis aber doch nicht. Beruhigend zu wissen, dass es meinen Freundinnen genauso erging wie mir. Uns schlotterten die Gehirnwindungen beträchtlich, die Köpfe rauchten und wir hörten uns gegenseitig die Sünden-Vokabeln ab, ob wir auch genügend zusammen gefunden hatten.

Vor dem Beichtstuhl dann rückten wir eng zusammen, was mich aber nicht davor bewahrte, ganz auf mich selbst gestellt hineingehen und dort auf die Knie sinken zu müssen. Zitternd kauerte ich mich nieder, vor mir das Respekt abverlangende, die Übermacht des Priesters noch betonende Gitter. Und schon ging es los: „Meine Tochter. Was hast du gesündigt?“ Ich war baff erstaunt ob dieser Anrede, war ich doch bis dann der Überzeugung gewesen, mein Vater daheim wäre mein einziger Vater. Nun hatte ich also plötzlich zwei davon, wobei dieser hier mir der weitaus strengere zu sein schien. Aber die wohl erwarteten töchterlichen Gefühle, die mir noch mehr Ehrlichkeit, was eventuelles Fehlverhalten anging, hätten entlocken können, entlocken sollten, stellten sich so gar nicht ein. Dagegen brachte ich meine Stimme nur mit äußerster Anstrengung noch dazu, ja nicht zu versagen. Es hätte ja bedeutet, am weißen Sonntag die Kommunion nicht empfangen zu dürfen, weil die blöden angeblichen anthrazit/schwarzen Flecken auf meiner Seele sich nicht in überirdisches Unschuldweiß umgewandelt hatten. Zum Glück fiel mir noch gerade rechtzeitig ein, dass nun eine aussagekräftige Antwort von mir erwartet wurde. Sicherheitshalber hatte ich alles zuvor gepaukt bis zum Umfallen und trotz meiner fast brechenden Stimme setzte ich zum (Pseudo-)Bekenntnis an:

„Ich habe mich dreimal mit meinem Bruder gezankt, ich hab zweimal gelogen und meine Eltern anderthalb Male geärgert ...“ Ich muss sehr überzeugend vorgetragen haben, denn unser so sehr netter Kaplan erteilte mir wirklich die Absolution und ich schwebte geradezu, mich federleicht fühlend, aus dem Beichtstuhl und nach Hause.

Heute, über 54 Jahre später, denke ich: Er hat sich insgeheim garantiert köstlich amüsiert!

Autorin: tastifix

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