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Voll daneben

Kolumne

Voll daneben

Ob es der Boss von IBM, Microsoft oder andere Unternehmen ist, ihre Vorhersagen zur Zukunft des PC gingen oft genug so voll daneben, dass man an der Qualität ihrer Glaskugeln zweifeln muss.

So wird seit mehr als zehn Jahren der Tod des PCs prophezeit, aktuell sollen ihn smarte Handys ersetzen. Dumm nur, dass trotz des großen Erfolges von iPhone & Co mehr als 300 Millionen Rechner im selben Jahr verkauft wurden und der Trend geht in Richtung 500 Millionen in diesem Jahr. Anders ausgedrückt, die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen der Nur-Handy-Hersteller waren ein Flop.

Allerdings haben Fehleinschätzungen beim PC Tradition, es ging schon bei seiner Entwicklung los.
Damals glaubten die Entwickler bei Intel, dass 1 Mega Byte Speicher für immer und ewig genügen würde, sogar dann, wenn mehrere Programme zugleich laufen. Dass ein Programm mehr als 64 K belegen könnte, wurde gleichfalls ausgeschlossen.

Von diesem absolut futuristischen Design überzeugt, nahm sich IBM des Chips an, und strickte eine Kiste namens „PC“ um ihn herum.
Mit 4,77 Mega Herz raste diese Maschine in das 21. Jahrhundert. Nur PC-Software konnte IBM (schon) damals nicht schreiben, und beauftragte deshalb Microsoft, ein Betriebssystem namens DOS für diese Supermaschine zu entwickeln. Bill Gates, einer der brillantesten Visionäre der Branche, dachte nach, und kam zu einem überzeugenden Ergebnis: Kein Mensch wird jemals einen PC mit mehr als 640 KByte Speicher bestücken, also wurde das DOS entsprechend konzipiert. Mit dieser Speichermenge kommt heute noch nicht einmal ein Billig-Handy aus.

Da haben wir uns wohl leicht verschätzt, sagte Intel, und lieferte den Rechner 80286. Na gut, wir auch, ergänzte IBM, aber jetzt machen wir es richtig, und steigerte die Geschwindigkeit auf das Wahnsinnstempo von 8 MHz. Das nannte man AT, also etwas, was IBM für "Advanced Technology" hielt. Diese Technik war tatsächlich so fortschrittlich, dass sie kurz darauf vom 386er abgelöst wurde.
Etwa zu selben Zeit wurde auch IBMs revolutionäre Bus-Zukunft namens Micro Channel zu Grabe getragen, aber dafür setzte sich Windows durch. Das wollte zwar sehr viel mehr Speicher als die für immer und ewig reichenden 640 K sehen, aber wie man sieht, auch Bill Gates kann sich irren.
Später wurde von den Auguren der Bedarf an 32-Bit-Rechnern bezweifelt, das Durchbrechen der 100-MHz-Schallmauer (0,1 GHz) in Frage gestellt, um dann Anfang der 90er Jahre zu verkünden, dass nun das Ende der Entwicklung erreicht sei. Alle nur denkbaren Programme seien vorhanden und die Rechner dafür mehr als schnell genug.

Dann träumte IBM-Chef Louis Gerstner von einem Internet-PC: Eine Maschine ohne Festplatte, ohne Software, aber mit Netzanschluss. Dass Louis davon träumte, endlich wieder massenhaft Großrechner zu verkaufen, kann ich ja verstehen, nur eines schien dieser Visionär total vergessen zu haben: PC heißt "Persönlicher Computer", und sein Erfolg beruhte darauf, dass die Leute es satt hatten, an eben diesen dummen Terminals zu sitzen.

Unter dem Stichwort NC (Netz-Computer) versagte der nächste Versuch, den Anwendern ihren PC weg zu nehmen, aber die „Experten“ geben nicht auf.
Der neuste Traum heißt „Cloud Computing“ und meint, dass im Web Speicher und Rechenleistung in Wolken zur Verfügung stehen, die sich je nach Last mit mehr oder weniger anderen Wolken verbinden.

Auch diese Geschichte wird an trivialen Grundsätzen scheitern. Kaum eine Firma wird ihre Daten im Internet parken und bestimmt nicht in einer Google- oder Microsoft-Wolke.
Ob Privatleute für jeden Brief bezahlen wollen (oder eine Word-Flatrate buchen) und dann noch für DSL-50.000 nochmals viele Euros drauflegen, ist wohl auch mehr als fraglich.

Besonders peinlich ist, dass nicht nur solche Prophezeiungen in die Hose gehen, sondern dass auch reale Entwicklungen nicht erkannt oder falsch eingeschätzt werden. So hatte man doch glatt das Potenzial des von Tim Bernes-Lee entwickelten Internets übersehen, weil man meinte, dass seine damals komplizierte Kommandosprache die Anwenderschar eh nur auf die Unis und ein paar wenige Freaks beschränken würde.

Als dann Marc Andresen und Eric Bina auf die nahe liegende Idee kamen, die Bedienung zu vereinfachen und den ersten Browser namens Netscape entwickelten und damit das Web für jedermann öffneten, hatten es einige immer noch nicht geschnallt, Microsoft inklusive. Und als MS endlich gemerkt hatte, dass da ein neuer Markt war, eröffneten sie den Browser-Krieg, indem sie den Internet Explorer verschenkten und damit Netscape in die Pleite trieben. Der IE basierte übrigens auf einer Lizenz von Spyglass, den Entwicklern des Mosaic-Browsers.

Also was auch immer die Auguren verkünden, man tut gut daran ihnen nicht zu glauben, sondern sich das Gerät zu kaufen, von dem man selbst überzeugt ist, egal ob es nun Desktop, Laptop oder iPad heißt.
Sicher ist jedoch, dass der PC-Markt weiter wachsen wird, aber ich nenne keine Prozente, weil es eine unbekannte Einflussgröße gibt: den Menschen. Es wird immer wieder Killer-Applikationen geben, wie einst den Web-Browser, die alle Prognosen über den Haufen werfen.

Autor: WoSoft

Peter Wollschlaeger

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