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Jedes Programm ist perfekt

Jedes Programm ist perfekt

Und das sollten Sie wissen, anstatt angeblich fehlende Features zu monieren oder sogar über Bugs zu schimpfen.

Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines Programmierers. Er hat jahrelang an einem Programm gearbeitet, tausende von Klippen umschifft und noch nie da gewesene Lösungen erfunden. Er hat sich über Fehler geärgert, manchmal sogar über seine eigenen, den Hersteller seines Computers verflucht, die Hotline des Betriebssystemherstellers heiß telefoniert, sich mit 22 wechselnden Produktmanagern herumgeschlagen und ist nun endlich fertig. Ab diesem Zeitpunkt gilt die eiserne Regel für Entwickler: Nichts ist für einen Programmierer uninteressanter als ein fertiges Programm.
Oder wüsten Sie irgendeinen Grund, sich jetzt noch mit diesem Programm zu beschäftigen? Fliegen Sie von Hamburg nach München und kehren dann zu Fuß zurück, nur um zu prüfen, ob Sie unterwegs einen Fehler gemacht haben?
Das tun Sie nie, doch genau das verlangen Sie von einem Programmierer, wenn Sie einen angeblichen Bug monieren. Wohl wissend, dass er keine Fehler macht, würde ein gewissenloser Entwickler deshalb Ihre Meldung einfach ignorieren, dieser Fall ist allerdings sehr selten. Unser Musterprogrammierer schreibt "2z" auf den Bug-Report, und schon weiß der Support Bescheid. Prompt – nach nur wenigen Monaten – erhält der User bereits die Antwort.
"Wir befürchten einen Fehler in Ihren Konfigurationsdateien AUTOEXEC.BAT und CONFIG.SYS. Entfernen Sie dort bitte alle Einträge mit Ausnahme der folgenden 27 (Liste geschenkt).
Stellen Sie ferner sicher, dass diese Einträge (Liste mit 34 Punkten) korrekt eingetragen sind. Sollte dann der Fehler immer noch auftreten, helfen wir Ihnen gerne, den Fehler in Ihrer Hardware zu suchen."
Dieser Anwender ist für mehrere Monate kalt gestellt, denn in seinem redlichen Bemühen, die Konfigurationswünsche nachzuvollziehen, schießt er Windows ab, hält seinen Rechner nun für ganz defekt und spendiert ihm eine sechsmonatige Kur beim Quickservice seines Computerlieferanten.

Und was bedeutet "1a bis 1z"? Hier hat eine Computerzeitschrift den angeblichen Bug publiziert. In diesem Fall steht im Textbaustein:
  • Es gibt tatsächlich einige sehr wenige Rechner, auf denen diese geringfügige Störung extrem selten auftreten kann. Dennoch haben wir diesen Fehler sofort nach der ersten und bisher einzigen Meldung abgestellt.
  • Leider lag Ihnen noch eine frühere Version vor (1a).
  • Der Fehler wird selbstverständlich abgestellt, die neue Version geht Ihnen in Kürze zu (1b).
  • Der Fehler wird abgestellt (1c).
  • Leider können wir den Fehler nicht nachvollziehen (1d), uns liegen auch keine gleich lautenden Meldungen anderer Kunden vor (1e).
Die Bausteine 1f bis 1w will ich Ihnen ersparen, deshalb nur noch diese:
  • Sie haben das Programm falsch bedient (1x).
  • Ihr Tester ist unfähig (1y).
  • Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, ein anspruchsvolles Programm zu prüfen. Deshalb werden wir zukünftig davon absehen, in Ihrem Blatt zu annoncieren (1z).
Schlimmer wird es, wenn 1d nicht zutrifft, wenn der sogenannte Fehler also nachvollzogen werden kann. In diesem Fall muss der Programmierer klären, ob ein Bug oder ein fehlendes Feature beklagt wird.
Leider sind die meisten User nicht in der Lage, diese beiden Dinge klar zu unterscheiden. So ist es beispielsweise kein fehlendes Feature, wenn in einem Textprogramm namens Typewriter kein Text gespeichert werden kann, das ist schließlich auf einer Schreibmaschine auch nicht möglich.
Dito ist es kein Bug, wenn die Rückschrittaste ein Zeichen nicht löscht, sondern genau das ist ein Feature. Auf Seite 147 im Handbuch steht deutlich ein Verweis auf die Fußnote in Kapitel 12, die dringend empfiehlt, den Anhang zu lesen, und hier findet man unübersehbar in Tabelle 122.1.b die Erklärung von Control-Shift-T (Tip Ex ein). Dass man jetzt nur noch das dann erscheinende X auf den zu überschreibenden Buchstaben bewegen muss, dürfte jedem klar sein, der jemals eine Schreibmaschine bedient hat.
Wer so etwas nicht auf Anhieb merkt, muss mit einem 1z-Brief rechnen. Schließlich ist es untolerierbar, wenn so genannte Tester noch nicht einmal ein RUI (Reality User Interface) erkennen bzw. anerkennen. Häufig sind es auch total überzogene Forderungen der Tester und damit irregeleitete User, die unrealistische Ansprüche stellen, zum Beispiel die Forderung, dass eine Schrift von nur 24 Punkt noch lesbar sein soll.
Ich meine diese Beispiele waren deutlich genug. Sie wissen jetzt, dass es praktisch keine Bugs gibt, sondern bestenfalls etwas, was Sie aufgrund mangelhaften Handbuchstudiums oder gar wegen fehlender elementarer Voraussetzungen (Informatikdiplom) dafür halten.
Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass es in der Beta-Phase, also innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Veröffentlichung eines Programms bzw. bei allen Versionen unter 10.1, noch vereinzelt tatsächliche Bugs geben kann. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Meistens liegt der Fehler im Betriebssystem, es sei denn, der Hersteller publiziert auch ein solches, in diesem Fall ist die Hardware schuld.
Ferner machen viele Programmierer den Fehler, undokumentierte Funktionen einzusetzen, und das nur, weil die Aufgabe sonst nicht lösbar ist. Sie vergessen dabei freilich, dass dieses Recht nur den Programmierern der Betriebssystemhersteller zusteht. Für die daraus resultierenden Pleiten habe ich allerdings kein Verständnis, hätte doch ein kurzer Blick in den Anstellungsvertrag (wer ist mein Arbeitgeber?) diese Bugs vermieden.
Doch wie gesagt, echte Bugs sind selten und kommen wenn, dann überhaupt nur in der Betaphase vor. Deshalb sollten Sie sich hüten, einen solchen Verdacht auch nur zu denken geschweige denn, ihn auszusprechen. Stattdessen stellen Sie sich selbst die folgenden Fragen:
  • Habe ich bereits vor der Installation das Handbuch auswendig gelernt und tatsächlich alles verstanden?
  • Gibt es außer diesem Programm noch irgendwelche anderen auf der Festplatte oder auf einer zufällig noch eingelegten Diskette, welche lt. Handbuch nicht ausdrücklich zugelassen sind?
  • Übertreffe ich die im Handbuch genannten Mindestvoraussetzungen um wenigstens den Faktor 4?
  • Habe ich ein vom Hersteller angebotenes Update ausgelassen oder irgendeines der ersten zwölf empfohlenen Zusatzprogramme nicht gekauft?
  • Habe ich den Rechner aufgeräumt, gereinigt, gelüftet und gebügelt bevor ich das Programm installiert habe?
Sollten Sie auch nur eine dieser Fragen nicht reinen Gewissens mit einem eindeutigen Ja beantworten können, liegt die Schuld bei Ihnen. Korrigieren Sie Ihre Fehler, und Sie werden nie wieder einen Bug zu beklagen haben.

Autor: WoSoft

Peter Wollschlaeger

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