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Frank Solberg: Keimzeit

Cover Frank Solberg - Keimzeit,

Als am 13. August 1961 die Mauer gebaut wird, ist Matthias 15 Jahre alt, im Juli 1967 wird er 21 und damit volljährig. In seinem autobiografischen Roman und Erstlingswerk „Keimzeit“ beschreibt der Autor Frank Solberg die Jahre, die zwischen diesen Daten liegen und in denen Matthias heranwächst: Aus dem Realschüler wird ein Lehrling und aus diesem ein berufstätiger junger Mann; aus dem pubertierenden Jungen, für den Mädchen fremdartige Fabelwesen sind, ein leidenschaftlicher und experimentierfreudiger Liebender; aus dem Pop- und Rockfan ein ernsthafter Hobby-Musiker und der Sänger der Coverband „The Tender Sounds“ – das alles vor dem Hintergrund der frühen 60er Jahre im Arbeitermilieu des damals noch sehr dunklen Ruhrgebiets.

Sehr lebendig schildert Frank Solberg diese Jahre aus der Sicht des heranwachsenden Jungen: die Probleme in der Schule, die Berufswahl, die keine ist, da die soziale Position der Eltern bestimmt, wie es mit dem Jungen weitergeht, Doktorspielchen mit der Cousine und die große Neugierde auf das Mysterium Sexualität, die Begeisterung an der Popmusik und an neuen Gruppen wie Beatles, Rolling Stones, Beach Boys oder The Who. Schließlich die eigene Band, die erste große Liebe und immer wieder die Freude an der erwachenden Sexualität. Gut finde ich, dass auch Zeitgeschichte eine große Rolle in dem Roman spielt: Die mangelnde Aufarbeitung des Nationalsozialismus, die zum Teil tödlichen endenden Fluchtversuche aus der DDR, Vietnamkrieg, die Ermordung Kennedys oder die Rassenunruhen in den USA. Es ist die Zeit vor den Studentenunruhen, in der es aber keineswegs ruhig zugeht.

Ich selbst bin im Ruhrgebiet aufgewachsen, war aber in den 60er Jahren noch ein Kind. Umso faszinierender fand ich es, zu lesen, wie die rund 10 Jahre Älteren diese Jahre erlebt haben. Zeitweise konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Überrascht hat mich, wie sexuell freizügig die Jugendlichen schon vor 1968 gehandelt haben und vor allem, wie aufgeschlossen auch die Mädchen gegenüber sexuellen Erfahrungen waren. Die hatte ich mir bisher zurückhaltender und prüder vorgestellt.

Insgesamt ein schönes Buch, das ein Stückchen Zeitgeschichte lebendig und unterhaltsam nahebringt. An einigen Stellen hätte ich es mir allerdings etwas weniger detailliert und mehr gestrafft gewünscht. Die häufige Aufzählung neuer Musiktitel war mitunter etwas ermüdend, und vor allem die gegen Ende des Buches immer ausführlicher werdenden Darstellungen des sexuellen Erlebens von Matthias und seiner Freundin nahmen mir zu viel Raum ein. Trotzdem: Ein sehr lesenswertes Buch, das ich nur weiterempfehlen kann.

Shaker Media, Herzogenrath 2015
626 Seiten, Paperback
26,90 EUR
ISBN 978-3-95631-231-1

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