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Ein Kätzchen namens Nuppelito

Ein Kätzchen namens Nuppelito

Eine Geschichte von Feierabend-Mitglied Udo Trachmann.

Eigentlich hatten wir sie ja Señorita de los Hardines getauft, als wir sie fanden. Dieses winzige kleine Katzenbaby, das unter einer Freilufttreppe hockte und nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien. Ein kleines nachtschwarzes Etwas, das mit seinen an Saphire ähnelnden Knopfaugen, sein kleines Köpfchen hin und her schüttelte, fauchend wie Siegfrieds Drache, das ganze Leid seines sehr jungen und sehr hungrigen und erst wenige Wochen alten Lebens in seine Umwelt hinausschrie!

Wir fühlten uns verpflichtet, sie unter unsere Fittiche zu nehmen. Diese kleinen winzigen Krallen erzeugten einige, vorher nicht absehbare Wunden an unseren Armen und Händen, die wir trotz aller Vorsicht nicht vermeiden konnten. Nebenan im Supermercado kauften wir mit Begeisterung Dosennahrung für Katzen “en Masse“, derweil wir ja noch ein paar Wochen auf dieser schönen kleinen Insel im Atlantic verbringen wollten. Die Zeit verflog mit der Gleichmäßigkeit des Wellenschlages des Meeres am Ufer der Hotelanlage, und unabänderlich nahte der Zeitpunkt der Rückreise. „Wenn sie die kleine Katze mit nach Hause nehmen wollen“, sagte uns ein dorthin ausgewanderter Landsmann, „bin ich ihnen gerne behilflich. Ich kenne hier einen Tierarzt, der das Notwendige veranlasst, damit sie unterwegs keine Schwierigkeiten haben.“

Dankbar über diese Hilfe, die man uns anbot, gingen wir am Tag der Heimreise voller Zuversicht zu diesem Arzt, bei dem wir durch die Vermittlung unseres Helfers einen Termin bekommen hatten, und überließen alles weitere den fachkundigen Händen des Veterinärs, der auch sofort zur Tat schritt. Wir meinten es selbst zu verspüren, als die spitze Nadel der Einwegspritze durch die dünne Haut des armen Geschöpfes drang und ihr der Inhalt in den Körper gepresst wurde. „Jetzt“, damit deutete der Doktor auf das schwarze zitternde Etwas, das vor ihm auf dem Tisch lag, „wird sie etwas“ - er machte die Gebärde des Erbrechens - nach, „und dann, Katze, schlafe - muy mucho Horas!“ Er zog noch eine Spritze auf, die wohl das Schlafmittel enthielt und verabreichte sie ihr. Wir fühlten mit ihr, waren aber der Meinung, dass wir das Recht dazu hatten, sie aus ihrem sonst so zu erwarteten Leben herauszureißen. „So“, sagte der Arzt, „jetzt schlafe, viel, lange“, und strich ihr über das struppige Fell. Froh darüber, dass das Ganze jetzt endlich vorüber sei, betteten wir sie in die eigens dafür hergerichtete größere Handtasche, legten ein leichtes Tuch über den geschundenen kleinen Körper und verließen in Hochstimmung die Tierarztpraxis.

Kurz vor dem Aeropuerto setzten wir uns noch in eine Bodega, um eine Erfrischung zu uns zu nehmen. Mit Wehmut blickten wir auf das südliche Flair, das uns umgab und das wir in wenigen Stunden verlassen mussten. Und „Gatto“ schlief ihrer neuen Zukunft entgegen - dachten wir! Es war kaum eine halbe Stunde vergangen, seit dem Besuch beim Doktor. Wir saßen noch ganz abgekämpft in den Stühlen der Bodega und tranken unser letztes „Cervesa“, als sich plötzlich der obere Teil der Tasche zu bewegen begann. Erschrocken sahen wir uns an! Was war los? Wurde dieses kleine Etwas etwa schon wieder wach? „Sie sollte doch mindestens fünf Stunden schlafen“, sagten wir beide wie aus einem Munde. Der offene Reißverschluss der Tasche bewegte sich heftiger, und das kleine zierliche Köpfen von Señorita erschien mit einem Fauchen, das jedem Leguan zur Ehre gereicht hätte, an der Oberfläche. Nur mit Mühe gelang es uns, unter Zuhilfenahme einiger starker Beruhigungstabletten und diverser Eingabeversuchen, diese Minifurie wieder ruhig zu stellen und den Heimflug antreten zu können.

Über unser seltsames Gebaren mit einer etwas größeren Handtasche waren bestimmt nicht nur die Flugbegleiterinnen erstaunt, sicherlich wunderte sich so mancher vor oder hinter uns sitzende Mitreisende über hin und wieder auftretende seltsame Geräusche, die gewisse Ähnlichkeiten mit einem Babyschreien hatten - nur war kein Baby an Bord. „Eine sehr schöne außereuropäische Kurzhaarkatze“, sagte die Tierärztin beim ersten Termin, den wir bei ihr hatten. Alle notwendigen Maßnahmen wurden getroffen, um dem kleinen Minipanther die Umstellung an die hiesigen Gewohnheiten zu erleichtern. So fraß Señorita erst einmal alles, dessen sie habhaft werden konnte, in sich hinein. Sie konnte ja nicht wissen, dass es von nun an für sie regelmäßiges Fressen gab, und dass dazwischen, wenn sie etwas Hunger verspürte, ein kurzes Mauzen reichte, um plötzlich einen gefüllten Fressnapf vor sich stehen zu sehen, den sie dann mit einer Geschwindigkeit leerte, so dass man meinen konnte, sie hätte es mal eben eingeatmet.

Dabei war sie aber sehr gelehrig, und so gab es keine Probleme, ihr in kürzester Zeit den Umgang mit der Kratzmatte und ihrem ureigenen Bereich, dem Katzenklo, zu zeigen, was sie spontan zu ihrem Wissen hinzufügte und dann bei sich jeder nur bietenden Gelegenheit intensiv und voller Temperament zu nutzen wusste. Besonders beliebt waren die kleinen Papierbällchen, denen sie dann mit einer kaum fassbaren Geschwindigkeit hinterher sauste, sehr oft einem Zusammenprall mit irgendeinem Möbelstück nicht aus dem Wege gehend. Sie fand es einfach toll, dieses Hin- und Hergerenne. Besonders, nachdem sie sich in ihrem Refugium von dem groben Ballast der Verdauung befreit hatte, dann raste sie förmlich durch den langen Flur, einen kurzen Haken schlagend, quer durch die beiden Zimmer, um dann mit einem fast saltoähnlichen Haken wieder am Ausgangspunkt zu sein, um das Ganze von neuem zu beginnen.

Dem Hund des Nachbarn tanzte sie, als er ihr einmal zu nahe kam, mit ihren Vorderpfoten einen Flamenco auf seine Nase, dass ihm alles soooo spanisch vorkam, dass er außer einem lauten Jaulen dem nichts mehr entgegenzusetzen hatte - aber sonst war sie ein liebes kleines schwarzes schmusiges Kätzchen, das nur selten ihre Krallen zeigte. Ihren Spitznamen bekam sie, weil wir den Namen „Señorita de los Hardines“ irgendwann viel zu lang fanden, und Nuppelito klang doch auch irgendwie spanisch. Ihre ganze Grandezza aber brachte sie zum Ausdruck, wenn wir einmal abends nicht rechtzeitig nach Hause kamen und sie mit der nötigen Aufmerksamkeit bedachten. Dann drehte sie ihr kleines Köpfchen wie eine Primadonna in Schwanensee hin und her, mauzte ein paar klagende Töne und sprang dann mit einem wohldosierten Satz in ihre Kummerecke auf der Heizung, wo wir vorsorglich extra für sie ein weiches Schmusekissen für solche Fälle platziert hatten.

Es bedurfte jedes Mal vieler erfolgloser Versuche, so wie oft ein bettelndes „Nuppi, nun komm doch“, oder das Klappern eines Löffels in ihrem Fressnapf, was sie zwar immer zur Kenntnis nahm, aber eine gewisse Zeit lang nur mit der abgewandten Seite ihres Kopfes beantwortete, bevor sie ihren Schmollplatz freiwillig wieder verließ. Nämlich dann, wenn der Hunger sich bei ihr meldete. Meistens gelang das nur mit Hilfe des späten Abendessens, zu dem sie dann mit ihrem unnachahmlichen MIAU, das eher an ein stimmloses „CH“ erinnerte, bekundete, dass sie jetzt ebenfalls Appetit hätte. Und dann ging es ihr nicht schnell genug, etwas zum Fressen zu erbetteln. Selbst wenn einmal saure Gurken auf unserem Speiseplan standen, konnte sie es kaum erwarten, schon einmal vorab einen Bissen zu erhaschen. Dann nahm sie diesen mit einer Selbstverständlichkeit hin, als gäbe es für eine Katze auf dieser Welt nichts Schöneres und Leckereres zu fressen als saure Gurken! Denn es kam ja von „oben“. Und alles was von „oben“ kam, musste ja gut sein!

Als sie vor Jahren von uns ging, war ihr letzter Blick auch nach oben gerichtet, als erwartete sie wieder etwas, was es nur von dort geben konnte. Wenn es heute hin und wieder mal saure Gurken zum Mittag- oder Abendessen gibt, dann denken wir spontan an „Nuppi“ und vermeinen ihre samtweichen Pfoten in einem leisen Stakkato über den Parkettboden huschen zu hören.

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