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Benny und Tiffy

Benny und Tiffy

Schwarzer Kater liegt auf einer Decke

Benjamin war ein außergewöhnlicher Kater. Er hatte einen starken Überlebenswillen: Er wurde im November 1987 geboren und lebte als jüngstes Tier in einem Rudel halbwilder Katzen, hatte kaum Überlebenschancen ohne Unterschlupf, ohne ärztliche Betreuung. Eine engagierte Tierschützerin betreute diese Tiere, versorgte sie täglich mit Futter und kümmerte sich vor allem um die zahlreichen Jungkatzen. Als sie eines Tages Tiffy, das blutjunge Katzenmütterchen und deren Junge mitnahm, um sie zu Hause aufzupäppeln, lief Benny herzerweichend maunzend hinter der tierlieben Dame her, bis er sie überzeugt hatte, auch diesen putzigen kleinen Kerl mitzunehmen.

Außergewöhnlich in seinem Aussehen: In seinem feinen schwarzen Fell hatte er einen herrlichen weißen Brustlatz, vier weiße Pfötchen und ein fein geschnittenes Gesicht mit großen, runden, bernsteinfarbenen Augen. Aber das Prachtvollste war sein grandioser weißer Schnurrbart. Er bewegte sich auf seinen hohen Pfoten so kraftvoll und elegant wie ein Baletttänzer, in seinen Hinterpfoten hatte er so viel Kraft, die ich dann zu spüren bekam, wenn ich ihn auf den Arm nehmen wollte, und er wollte nicht.

Außergewöhnlich in seinem Wesen. In den unterschiedlichsten Tönen artikulierte er seine Gefühle und Wünsche. Wenn Benny nach Zärtlichkeit war, sprang er an einem Bein hoch wie ein Böckchen, rieb sein kleines Köpfchen daran und ließ dabei ein lustvolles Mauu ertönen. Sein durchdringendes Mauu vor dem Fressnapf konnte „mehr, mehr,“ oder „andere Sorte bitte schön“ heißen. Seine je nach Stimmung unterschiedlichsten Mauus brachten ihm den Namen „Maunzerle“ ein. Er konnte aus tiefstem Schlaf beim Klappen der Kühlschranktür herantraben und sich erwartungsvoll davor setzen, es hätte mich nicht verwundert, aus seinem Mäulchen das Wort „Kochschinken“ zu vernehmen. Ein pfiffiges Kerlchen, das Bällchen aus Kunststoff-Folie apportierte, nachdem er bemerkte, dass man dadurch das Spiel verlängern konnte.

Obwohl er gern und gut aß, war er sehr dünn, konnte man jeden Wirbel mit der Hand ertasten. Auch nach seiner Kastration nahm er kaum zu, obwohl nach gängiger Meinung kastrierte Kater dick werden sollen. Einige Wochen, nachdem ich ihn zusammen mit Tiffy bei der freundlichen Tierschützerin abgeholt hatte, brach der Katzenschnupfen bei ihm aus. Er lag nahezu apathisch in einer ruhigen Ecke und schniefte und nieste. Ich wollte ihn am nächsten Tag zum Tierarzt bringen, aber als ich ihn in den Transportkorb setzen wollte, wehrte er sich mit seinen kräftigen Hinterpfoten und kratzte mich blutig, so dass ich den Termin beim Tierarzt erst mal absagen musste. Die Bemerkung des Arztes, man bekomme ein vier Monate altes Tier in den Korb, veranlasste mich, einen anderen Tierarzt zu suchen. Von einer Kollegin erfuhr ich von einem jungen Mann, der keine eigene Praxis hat, aber Urlaubsvertretungen macht und der auch wenn nötig ins Haus kommt. Er kam auch und versorgte Benny, nahm die Kastration Monate später vor und impfte Tiffy und Benny gegen Katzenschnupfen und Katzenseuche in jährlichem Abstand, setzte auch schon mal zu Hause die Narkosespritze, wenn Benny danach in die Praxis musste, um Zahnstein und schlechte Zähne entfernt zu bekommen. Die Tierarztbesuche beschränkten sich also auf das Nötige, um ihm möglichst die Aufregung zu ersparen. Aber er versteckte sich jedes mal im RegaI oder unter dem Schrank und schrie so fürchterlich, man hätte geglaubt, ihm geschieht schreckliches Leid.

Wir hatten ein vergnügtes Leben zu dritt; immer mehr erkannte ich die Vorlieben und Ängste meiner vierpfotigen Lieblinge und somit lag es nahe, dass sie mir sehr ans Herz wuchsen und immer zutraulicher wurden. Aber beim Ertönen der Wohnungsglocke sauste Benny wie ein geölter Blitz ins Schlafzimmer und versteckte sich im Bettkasten. Die Wohnungsklingel kündigte nicht nur den Tierarzt an, man wusste ja auch sonst nicht, wer in die Wohnung kam. Tiffy war da viel gelassener und verließ selbst beim grauslichen Geräusch des Staubsaugers nur ganz kurz den Raum. Benny wurde nicht müde, immer neue Verstecke auszukundschaften. Einmal suchte ich mehrere Stunden verzweifelt nach ihm, sogar im Treppenhaus. Schließlich kam er verschlafen und sich genüsslich streckend hinter den Winterpullovern aus dem Schrank hervor. Im Laufe der Jahre wurde Tiffy so rund wie ein Sofakissen und selbst Benny legte zu und bekam ein Altherren-Bäuchlein.

Als ich zum ersten Mal in Urlaub fuhr, bot sich eine Nachbarin an, die Betreuung der beiden Miezen zu übernehmen. Allerdings wurde ich nach Rückkehr zwei Tage ignoriert nach dem Motto: „Erst warst du so lange weg, jetzt bin ich auch nicht mehr da“. Lediglich das Gepäck wurde eingehend untersucht, roch es doch so interessant. Einige Extrarationen Leckerchen brachten unsere Welt wieder in Ordnung. Benny hatte auch schon beobachet, wo die Leckerchen aufgehoben wurden, rasch sprang er aus dem Stand auf den Wohnzimmerschrank und schob die besagte Dose mit flinker Pfote auf die Schrankkante zu, sie fiel auch prompt auf den Boden, der Deckel fiel beim Aufprall herunter, und schon machte er sich über die Katzentabs her; manchmal des Guten zu viel und er musste erbrechen. Meine Beiden machten mir viel Freude und wenig Kummer.

Das wurde schlagartig anders, als Benny sich häufig erbrach und starken Durchfall hatte, und kaum noch fraß, er magerte noch stärker ab: nach heftiger Jagd durch Schlafzimmer und Wohnzimmer packte ich ihn mit Hilfe der Nachbarn in den Korb und fuhr zum Tierarzt. Dort bekam er Infusionen und Spritzen, Benny fraß auch danach nicht, auch sonst besserte sich sein Zustand kaum. Ich konnte nicht schlafen und nichts essen, so fertig machte mich die Sorge um ihn. Meine Kollegen waren ziemlich genervt, ich redete von nichts anderem als dem kranken Katerchen. Sie meinten, der Tierarzt müsse doch eine Ursache finden.

Nach einigen Wochen (ich war inzwischen mehrmals mit Benny in der Tierklinik und er wurde immer an den Tropf gelegt, aber es wurde weiter nichts getan). Deshalb stellte ich die Tierärzte vor die Entscheidung, nochmals genau nach der Ursache zu suchen. Sie wollten eine Biopsie der inneren Organe machen, wozu er etwa eine Woche stationär aufgenommen wurde. Ich erkundigte mich telefonisch nach seinem Befinden, sie ließen mich nicht zu ihm, weil er in Panik eine Helferin schwer gekratzt hatte. Kein Wunder: eingesperrt in einen Gitterkäfig unter fremden Tieren, da war es doch nicht verwunderlich, dass er durchdrehte. Ich musste mir eingestehen, dass ich aus hilfloser Sorge um meinen Liebling der Operation zugestimmt habe, aber als ich erlebte, wie sehr ihm das alles zugesetzt hat, wusste ich, dass es nicht noch einmal geschehen würde. Benny verkroch sich nur noch im Bettkasten, kam nur nachts heraus, erbrach das ganze Fressen. Tiffy wollte nichts von ihm wissen, einmal schlug sie sogar nach ihm, er roch zu fremd und nach Krankheit.

Mein Zustand wurde immer schlechter, ich lag schlaflos und heulend im Bett, draußen Regenwetter, innen Seelenchaos. Für Benny hatte ich Penicillin-Tabletten bekommen, die ich in Leberwurst, Tartar und Kochschinken wickelte, aber er roch es sofort und ließ es liegen. Dafür futterte Tiffy in einem unbeobachteten Moment das ganze Zeug. Ich hatte meinen gebuchten Griechenlandurlaub abgesagt und hing drei Wochen im verregneten Bonn, war einem Nervenzusammenbruch nahe, wurde nach drei Wochen Urlaub vom Arzt krank geschrieben und bekam heftigen Ärger deswegen im Amt. Ich hatte meinen Kollegen den ganzen Kummer ausführlich erzählt, bekam jedoch keinerlei Verständnis.

In einem Anflug heftiger Verzweiflung habe ich auch den Tierarzt gewechselt. Ich musste das Bett halb auseinander nehmen, um Benny habhaft zu werden. Damit er nicht mit den Hinterpfoten treten konnte, wickelte ich ihn in ein Handtuch und fuhr in die Kaiserstraße. An diesem Vormittag war in der Praxis wenig los, während ich wartete und die Tränen flossen, nahm eine ältere Frau tröstend meine Hand und meinte, dass mir bestimmt geholfen wird. Die junge Tierärztin untersuchte ihn gründlich, aber liebevoll. Er bekam wieder einmal eine Spritze und Tabletten, war aber insgesamt etwas ruhiger als sonst. Ich fühlte mich erleichtert, dass er sich das alles gefallen ließ. Die Diagnose wurde bestätigt: Enteritis (eine Darmentzündung). Hoffentlich kam sie nicht von Bennys Leidenschaft, abgestandenes Blumenwasser zu schlabbern.

Die Verabreichung der Tabletten jedoch war nach wie vor ein Drama: Während ich ihm das Stückchen ins Mäulchen steckte, wehrte er sich mit den Pfoten, kratzte und schrie. Er tat, als würde er schlucken, aber im nächsten Moment spuckte er das Zeug aus. Monate später fand ich auf dem Balkon noch Tablettenstückchen. Es hatte sich als prak-tikabel erwiesen, ihn auf den Balkon zu bugsieren, weil da die Fluchtmöglichkeiten am geringsten waren. Sonst verkroch er sich im Wohnzimmer hinter dem Fernseher, wo kein Zugang möglich war. Benny wusste ganz genau, wie er sich entziehen konnte, wenn es unangenehm für ihn wurde. Manche wilde Jagd veranstaltete ich zusammen mit Nachbars, um seiner habhaft zu werden. Er tat mir so leid, aber es ging nicht anders, denn ich versuchte doch ihm zu helfen. Trotz besonderem Diätfutter mit hohem Fleischanteil nahm er nichts zu. Dennoch wirkte er insgesamt wieder lebhafter. Alle paar Wochen mussten wir zur obligatorischen Spritze, weil es so schwierig war mit den Tabletten. Ich zog die Behandlung immer etwas hinaus, um ihm die Aufregung des Einfangens möglichst lang zu ersparen und letztlich bekamen wir auch mehr Routine mit der Zeit.

Als ich einige Wochen später mit Tiffy zur Tierärztin zu einer Routineuntersuchung kam, bestätigte sie ihren guten Allgemeinzustand bei 14 Katzenjahren. Einige Tage später sollte ich mit ihr zur Zahnsteinentfernung kommen, einem Routineeingriff. Wegen der Narkose musste sie einige Stunden in der Praxis bleiben. Als ich sie wieder abholte und erfuhr, dass sie in der Narkose einen Atemstillstand hatte und reanimiert werden musste, habe ich doch einen entsetzlichen Schrecken bekommen. Abends zitterten mir noch die Knie bei dem Gedanken, dass mein Schätzchen beinahe nicht mehr heimgekommen wäre. Ob die Aufregung oder eine Herzschwäche dafür verantwortlich waren, war nicht klar.

Benny hatte den Stress der häufigen Arztbesuche überwunden und war sogar noch zutraulicher geworden. Er ließ sich viel öfters als früher für Momente auf den Arm nehmen und gab liebevoll Köpfchen. Wenn er auf dem Kissen neben mir auf der Couch lag, schnurrte er laut und hingebungsvoll wie ein Nähmaschinchen und maunzte zärtlich, als wollte er sich dafür bedanken, dass ich ihn nicht aufgegeben habe. Nach Wochen der Harmonie war jedoch sein Zustand wieder besorgniserregend, als er täglich erbrach und flüssigen und schaumigen Durchfall hatte. Dann war es wieder Zeit für die Spritze.

Im November hatte er die letzte Spritze bekommen, Benny war so stark abgemagert, dass meine Nachbarin erschrocken fand, er sehe aus wie ein armes Tierchen aus Südeuropa. Er bekam Pulver und Tabletten gegen den Durchfall, Diätfutter zum Aufpäppeln; zum ersten Mal fragte ich mich, ob er sich quält.

Er war zwar munter und sprang immer noch aus dem Stand auf die Fensterbank und von da auf den Wohnzimmerschrank. Dort legte er sich auf den Plattenspieler und sonnte sich. Wirkt er wie ein todkrankes Tier, fragte ich mich besorgt? Ich habe ein Wochenende lang heulend darüber nachgedacht, was nun unvermeidlich kommen würde. Als ich montags ins Büro kam, schlug mein Kollege mir vor, ein paar Tage Urlaub zu nehmen. Für Montag Abend war ein Anruf mit der Tierärztin verabredet und dann fiel der Satz, „... überlegen sie, ob es noch Sinn hat ...“. Für Dienstag Nachmittag vereinbarten wir den Termin, dem ich schweren Herzens einwilligte. Aber Benny kam nicht mehr aus dem Bettkasten zum Vorschein, einen langen Tag nicht, wir mussten für Freitag Nachmittag einen neuen Termin ausmachen. Als er Freitag früh in die Küche lief, passte ich ihn ab und schloss die Schlafzimmertür. Benny legte sich in den Weidenkorb, hier hat er immer gern sein Nickerchen gehalten.

Am selben Tag erhielt ich mit der Post eine Katzenzeitschrift zu dem Thema: „Wenn ein Freund für immer geht“. In dem Artikel wurden meine Gedanken präzisiert und wiederholt. Es war hilfreich, sich alles nochmals unter dem Aspekt, das Tier zu lieben und ihm deshalb unnötiges Leiden zu ersparen, durch den Kopf gehen zu lassen. Ich holte die Transportbox aus dem Keller und vorsorglich die Nachbarin hinzu. Als ich ihn hochnahm, klammerte er sich an das Kissen im Korb, nun gut, er sollte es mitnehmen auf seinem letzten Weg. Als wir die Box schlossen, weinte die Nachbarin.

Ich kam vor der normalen Sprechstunde dran und nachdem mir das Vorgehen erklärt worden war, spritzte die Tierärztin zuerst ein starkes Schlafmittel, danach schloss er die Augen nicht ganz fest. Ich hielt ihn auf dem Tisch lieb und streichelte durch das dünne Fell, strich die Pfötchen aus, beobachtete, wie sein Atmen schwächer wurde und erzählte ihm ganz leise vom Katzenhimmel, in den er jetzt kommt und wo er keine Schmerzen mehr spürt. Dann bekam er noch eine Spritze mit dem eigentlichen Einschlafmittel. Ich war mit ihm allein im Sprechzimmer ...

Es war der 8. Februar 2002, als er von mir gegangen ist. Später fragte ich die Tierärztin, wo man sein Körperchen hin brächte, da ich keine Möglichkeit habe, ihn zu beerdigen. Sie berichtete von Kremare, einer Firma am Niederrhein, die die sterblichen Reste aus der Praxis abholt und hinter der niederländischen Grenze einäschern lässt, weil dies in Deutschland verboten ist. Die Asche wird entweder an einem dafür vorgesehenen Platz verstreut, oder man erhält sie in einer Urne nach Hause. Die zweite Version erschien mir zu „vermenschlicht“. Es war mir wichtig, Benjamins Würde auf seinem letzten Weg zu erhalten, deshalb stimmte ich der ersten zu. Zwei Wochen später erhielt ich von Kremare eine Urkunde, die bestätigte, wie die Tierärztin es geschildert hatte. Benjamin wird für immer in meinem Herzen sein, ich habe ihn sehr geliebt. Er ist trotz seiner Krankheit 14 lange Jahre bei mir gewesen.

Zu Hause kam Tiffy mir entgegen. Nacht für Nacht rief sie seitdem herzzerreißend nach Benny. Ihr Mauu war so durchdringend, ich lief zu ihr und holte sie ins Bett, um sie zu beruhigen. Immer noch kommt sie fast jede Nacht in mein Bett und legt sich auf mich, rutscht nur für einen Moment zur Seite, wenn ich mich umdrehe. Ich weiß nicht, wer ihn von uns beiden mehr vermisst.

Autor: ehemaliges Mitglied

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