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Ingrid kämpft

Was man unbedingt vermeiden sollte, ist krank zu werden. Wir alle kennen die Situation, wenn ein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist. Die Ärzte entscheiden über die einzunehmenden Medikamente und die Behandlungsmethode. Das ist richtig und wichtig, dafür wurden sie geschult und ausgebildet. Es wird schlimm, wenn es zu keinem Gespräch zwischen dem Arzt und Patienten bzw. den Angehörigen kommt. Fehlende Aufklärung gilt in der Medizin als schwerer Behandlungsfehler.

Viele Krankenhäuser setzen heute Assistenzärzte als Stationsärzte ein. Assistenzärzte sind in der Ausbildung zum Facharzt. Sie sind jung und oft genug so sehr von ihrem Können überzeugt, dass sie ein aufklärendes Gespräch scheuen. Auch dafür habe ich Verständnis. Die Gesundheitsreform macht aus Patienten Fälle und schreibt vor, wie viel Zeit für die Behandlung von Krankheiten aufgewendet werden darf. Was über den gesetzten Zeitrahmen hinausgeht, wird nicht bezahlt.

Dabei gehört das Gespräch zu den wichtigsten Bestandteilen. Ein älterer Patient kennt die Signale, die der Körper zeigt, wenn etwas aus dem Gleichgewicht gerät. Ein Patient muss immer ernst genommen werden. Jeder Hinweis muss geprüft und mit dem leitenden Oberarzt besprochen werden. Bittet der Patient, die Erfahrungen des ihn im häuslichen Bereich behandelnden Facharztes zu erfragen, so genügt es nicht, ein Telefonat zu führen und dann - wenn überhaupt - zu den Akten zu legen.

Wie kann ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufgebaut werden, wenn Fragen beantwortet werden mit dem Satz „Darüber will ich mit Ihnen nicht diskutieren.“ Verständnis und Vertrauen ist die Grundlage für den gemeinsamen Kampf gegen die Erkrankung. Es gibt sie noch aber sehr selten, die Ärzte, die in einem verständlichen Gespräch alle Schritte erklären, die der Behandelnde plant. Damit wird die Angst genommen. Man könnte auch sagen: Vertrauen hilft heilen.

Es wird von keinem Arzt in der Fachausbildung verlangt, dass er sich auf allen Gebieten der Medizin auskennt. Doch kann auch ein älterer Patient erwarten, dass man ihn ernst nimmt und seine Hinweise überprüft. Alter bedeutet nicht automatisch Demenz. Jeder Mensch, egal in welchem Alter er ist, hat ein Recht auf Beantwortung seiner Fragen. Fachwissen kann auch mit Worten erklärt werden, die ein medizinisch nicht geschulter Patient oder Angehöriger versteht. Egal. um welche Altersgruppe es sich handelt, wenn Fragen nicht beantwortet werden, zeigt ein Arzt, dass er seinen Patienten für zu dumm hält, eine Erklärung zu verstehen.

Eine immer wiederkehrende Frage ist beispielsweise: „Warum werden im Krankenhaus sämtliche gut vertragenen Medikamente abgesetzt und andere verschrieben?“ Ingrid stellt diese Frage regelmäßig und hat darauf noch nie eine Antwort erhalten. Inzwischen glaubt Ingrid, den Grund zu kennen.

Nach unbestätigten Meldungen sollen von der Pharmaindustrie großzügig bemessene Drittmittelaufträge an Kliniken vergeben worden sein mit dem Ziel, mit Patienten entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Am 12.05.2013 berichtete spiegel-online-wissenschaft, dass westliche Pharmakonzerne in mehr als 50 DDR-Kliniken über 600 Medikamentenstudien in Auftrag gegeben haben. Insgesamt dienten nach Spiegel-Informationen über 50.000 Menschen als Testpatienten - oft ohne es zu wissen.

Dass es diese Medikamentenstudien auch an westdeutschen Krankenhäusern gibt, hat Ingrid selbst erfahren. Als sie an Parkinson erkrankte, wurde sie gefragt, ob sie an einer Studie teilnehmen möchte. Ingrid wollte dies. weil sie sehr interessiert war, mehr über Parkinson zu erfahren. In einem zweiten Fall fragte man sie nicht. Aus einem nicht erklärbaren Grund wurde sie von der Notaufnahme in eine falsche Abteilung eingewiesen. Nach vier Tagen fragte sie nach. Danach rief sie die richtige Station an. Das Ärzteteam wollte sie sofort haben. Doch die Ärztin der falschen Station wollte sie nicht hergeben. Als Begründung hörte Ingrid „Das geht nicht, wir haben gerade eine Versuchsreihe laufen.“ Man wollte Ingrid behalten, weil die Station für sie Geld bekam.

Gibt es noch eine Chance, dass junge Ärzte keine Marathondienste leisten müssen? Würden Sie zu einem Fahrer in den Bus steigen, der Ihnen erzählt, er sitzt seit 30 Stunden hinter dem Lenkrad? Bei einem normalen 8-Stunden-Tag kann der Arzt kranke Menschen irgendwann wieder als Patient und nicht als Fall behandeln. Insbesondere alte Menschen brauchen Vertrauen und das Gefühl, ernst genommen zu werden, damit Ängste abgebaut werden. Doch leider haben weder Ärzte noch Patienten eine Lobby.

Ingrid Tolkmitt

Autor: Zwillingsjungfrau

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