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Ein Loblied auf meine Schwiegermutter

Mit feinem Humor und viel Selbstironie beschreibt unsere Kolumnistin Edda, bei Feierabend als Niagara bekannt, ihren nicht immer ganz leichten Alltag.

Eddas Allerlei

Ein Loblied auf meine Schwiegermutter

In der zurückliegenden Karnevalszeit fiel es mir wieder einmal auf: Kaum ein Büttenredner kommt ohne frauenfeindliche Scherze aus. Auch die männlichen Moderatoren von Comedy-Shows im Fernsehen schlagen gerne zu. Besonders ein weibliches Wesen ist Ziel ihrer oft bösartigen Sticheleien: An der Schwiegermutter lassen sie kein gutes Haar. Wenn man den Witzbolden glaubt, sind diese angeheirateten Verwandten ohne Ausnahme hässlich, boshaft, strohdumm, eitel, gehässig; kaum eine schlechte Eigenschaft, die ihnen nicht nachgesagt wird. Liebenswürdige Schwiegermütter – gibt es die überhaupt, fragt man sich, wenn man die abfälligen Bemerkungen und schrecklichen Witze hört und liest.

In China lernte ich tatsächlich eine Schwiegermutter kennen, die sogar alle europäischen negativen Vorurteile weit übertraf. Nach meiner Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Peking wohnten Anna und ich bei der Mutter ihres Kollegen. Im selben Haushalt lebte auch der jüngste Sohn mit seiner Frau. Wenn wir Ausflüge in die Stadt unternahmen, an denen die Schwiegermutter niemals teilnahm, war Zhang Ming eine schicke, selbstbewusste moderne junge Frau. Wieder zurück in der Wohnung habe ich die Ärmste oft bedauert, die sich dann in eine kleine graue Maus verwandelte. Wie eine Sklavin der Schwiegermutter huschte sie in ihrer Kittelschürze schweigend umher, hielt die Wohnung sauber, wusch, bügelte, kochte. Bei den Mahlzeiten bediente sie ihren Mann, die Schwiegermutter und uns, die Gäste. Erst wenn alle satt waren, setzte sie sich in der winzigen Küche auf einen Stuhl und aß, den Teller auf dem Schoß, alleine das von ihr zubereitete Essen. Nur einmal, an ihrem Geburtstag, durfte sie am Tisch Platz nehmen und mit uns gemeinsam die Mahlzeit einnehmen. Kaum zu glauben, dass es das in der heutigen Zeit noch gibt.

Wie anders hingegen war Maria, meine Schwiegermutter, mit der mich eine tiefe Zuneigung verband. Wir kämpften nie als Rivalinnen um die Gunst ihres Sohnes. Sie behandelte mich wie ihre Tochter, hatte immer Zeit für mich, kritisierte nie, erteilte höchstens Tipps und Anregungen, wenn sie glaubte, es besser zu wissen als ich.

Natürlich gab es in dreißig Jahren auch schon mal Meinungsverschiedenheiten, die aber Dank ihres sonnigen Wesens, gegenseitiger Achtung und liebevoller Bemühungen schnell beigelegt werden konnten.

Heute freue ich mich, viele ihrer warmherzigen Eigenschaften in meinen Töchtern wieder zu finden. Ich hoffe, dass auch ich für meine Schwiegerkinder, Dank des guten Vorbildes, eine verständnisvolle Schwiegermutter bin.

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